Über das Lüneburger Rathaus


Material und Unterrichtsvorschlag

Dr. Horst Leps


Date: 31. August 2023 



Inhalt

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horstleps@gmx.de




Fotos und Screenshots:


Vorbemerkung

Der Anstoß kam vom Hamburger Rathaus, dort war ich Lehrer. Als Quiddje1 hatte ich nie ein spontanes Verhältnis zu diesem Bau. Er blieb und bleibt mir fremd: ein historistischer Kitschbau. – Aber vielleicht steht solch ein „neuer“ Bau doch in einer Tradition, die er aufnimmt und weiter führt.




Da bietet es sich an, ein Rathaus anzusehen, das alt ist, und – selten, aber doch – nicht von Bomben beschädigt, nicht zerstört wurde und nicht mühsam rekonstruiert werden musste, sondern in Jahrhunderte langer Kontinuität überliefert ist, natürlich immer wieder verändert, aber auf diese Weise die Geschichte des Hauses zeigt, vielleicht sogar den Haus-Typ „Rathaus“, wie er im Mittelalter entstanden ist und immer noch in der Mitte unserer Städte steht, so dass ein Sprung nicht nur zum Hamburger Neubau möglich ist.

Hier geht es aber nur um Lüneburg, denn auch Nicht-Hamburger können am Lüneburger Rathaus lernen.




Noch ein Aspekt zur Begründung, ich behaupte mal, dass das Lüneburger Rathaus im kulturellen Erbe auf der Ebene des Kölner Doms einzusortieren ist. Solche Dome gibt es mehr oder weniger überall, wer einen kennt, hat Zugang zu allen anderen. Mittelalterliche Rathäuser gibt es, nimmt man ganz Europa, nicht sehr oft, meist stammen sie aus dem Spätmittelalter oder der Renaissance, um einen Pracht- und Prunkbau in die Stadtmitte zu setzen. Aber es gibt wohl wohl wenige Rathäuser, die so gut erhalten sind wie das Rathaus – genauer: der Rathauskomplex – in Lüneburg und ihr hochmittelalterliches Erbe nicht in einem Neubau haben verschwinden lassen.

Aus einem „Monumente“-Heft über Lüneburg2:

Architektur als Botschaft – Lüneburgs Rathaus als Vision und Zeugnis

Bezeichnungen wie Salzquartier, Sülze, Saline, Brunnenhaus und Salzstraße geben dabei neben Hafen und Märkten, neben Altem Kaufhaus und Altem Kran deutliche Hinweise auf eine sehr spezielle Quelle des offenkundigen Wohlstands - auf den Handel mit Salz, dem weißen Gold des Mittelalters, das derzeit kostbarste und damit teuerste Mineral überhaupt. Hier in Lüneburg lag das gefragte Würz- und Konservierungsmittel vergleichsweise dicht unter der Erdoberfläche, drängte sich seine Bergung den Bewohnern geradezu auf und ließ es auch plausibel erscheinen, dass man angesichts des erworbenen Reichtums sorgsam über dessen Bewahrung wachte. An Ermahnungen, die Stadt weise und gerecht zu führen und so Unzufriedenheit und Aufruhr zu vermeiden, fehlte es jedenfalls nicht.

Die mittelalterlichen Stadtherren Lüneburgs scheuten ganz offenkundig nicht den prüfenden Blick in den Spiegel. Scheinbar selbstverständlich ließen sie sich an den Idealen einer guten Regierung messen, und das nicht etwa verstohlen und im Geheimen, sondern öffentlich. Dort, wo die Amtsstuben heute gemeinhin mit einem schlichten Porträt des Bundespräsidenten aufwarten, hielt ehedem Justitia den Großen ihre Waage vor Augen, mahnte der Hinweis auf das „Jüngste Gericht“ zur Einhaltung der Gerechtigkeit oder gab das Beispiel des „Salomonischen Urteils“ konkrete Handlungsanleitungen. Hier wachten – sichtbar oder nicht – Pax und Temperantia, Concordia und Fortitudo, Sapientia und Veritas über Wohl und Wehe der Kommunen.

In den Städten waren es naturgemäß die Rathäuser, die den angemessenen Ort für einen solchen mahnenden Vergleich zwischen Ideal und Wirklichkeit boten. Ambrogio Lorenzettis „Allegorie der guten und der schlechten Regierung“ (1338-1340) im Palazzo Publico der italienischen Stadt Siena stellt da keineswegs eine Ausnahme dar - genauso wenig wie die bekannten Gerechtigkeitsbilder in den Ratsstuben von Wesel, Regensburg oder Graz, die an zentraler Stelle, dort nämlich, wo Gericht gehalten wurde, in Analogie zu den großen Weltgerichtsdarstellungen auf die Einhaltung überkommenen Rechts pochten. In Lüneburg, das sich neben Lübeck des größten und zugleich ältesten mittelalterlichen Rathauses rühmen kann, vervielfachen sich diese bilderreichen Fingerzeige. Hier finden sie sich in Holz geschnitzt, auf Leinwand gemalt, anspielungsreich ausformuliert in Allegorien und kunstvollen historischen Vergleichen und zugleich eingebettet in ein komplexes Bildprogramm, das manchem heutigen Besucher des Rathauses wie ein figurenreiches, schwer zu entschlüsselndes Bilderrätsel erscheinen mag. Stets jedoch findet er - zuweilen inmitten einer opulenten Bilderfülle - auch Justitia oder eine ihrer Verwandten wieder, findet er Hinweise auf die Idee der guten Regierung, auf Recht und Gerechtigkeit als die Voraussetzungen für die kontinuierliche Fortentwicklung einer jeglichen städtischen Gemeinschaft.




Rathäuser sind für eine kulturell interessierte politische Bildung wichtig:

Was ist das überhaupt: Ein Rathaus?





Zum Gegenstand: Das Rathaus in Lüneburg


Zur Baugeschichte

Es wäre schön, gäbe es ein Darstellung des Rathauses im Taschenbuchformat, der alles von Bedeutung zu entnehmen ist, ausreichend für die Vorbereitung des Unterrichts. Bis dahin muss man sich als Lehrer selbst helfen. Deshalb beginnt dieser Text mit einer „Sachanalyse“, die den Unterricht nur zurückhaltend in den Blick nimmt. Es geht dennoch um die zentrale Frage: Was ist am Lüneburger Rathaus bildungsbedeutend?

Aus einem Reiseführer3:

Baugeschichte Die Anfänge gehen bis in die ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts zurück. Kurz nach 1250 existierte nachweislich die Ratskapelle zum Heiligen Geist, gelegen am nordöstlichen Rand des heutigen Bauensembles. Möglicherweise ist bereits einige Jahrzehnte früher ein kleiner Rathausbau errichtet worden, angeordnet im rechten Winkel zur Kapelle und einige Meter von ihr entfernt.

Kann man das verstehen als: Das Rathaus entstand als Erweiterung einer Kapelle?4 Ist das einer der Ursprünge der vielen christlichen Bezüge am und im Haus? Aber es ginge nicht um die Trennung von Kirche und „Staat“ / Stadt, Religion und Politik, sondern um eine funktionale Unterscheidung.

Die weitere Baugeschichte dieses Hauses zeigt „Rathaus“ in seltener Weise. Es sind viele Häuser, die in den Jahrhunderten gebaut worden sind, spätestens im 18. Jahrhundert zusammengefasst worden. Die Fassade vermittelt durchaus einen unzutreffenden Eindruck: Dahinter befindet sich keine Großbau, wie in Hamburg, sondern eine Zusammenstellung verschiedener unterschiedlich Häuser und Bauteile.




Glücklicherweise gibt es für das Lüneburger Rathaus eine noch recht frische Untersuchung5, deren Bericht Joachim Ganzert herausgegeben hat, einige Beiträge stammen vom Herausgeber selbst. Im Folgenden wird dieser Bericht mitsamt einigen Materialien, die immer mit „© Ganzert“ markiert sind, verwendet. Den für die Frage nach dem Wachstum des Gebäudekomplexes wichtige Abschnitt hat Ganzert geschrieben.

Man muss sich den Anfang dieses Rathauses (jedes Rathauses der damaligen Zeit?) wohl so vorstellen:

  1. Anfang stand eine Kapelle, wer auch immer sie aus welchen Gründen in die Landschaft gestellt hatte. Ein Bischof hatte sie geweiht. Um diese Kapelle herum gab es eine Siedlung. Man traf sich zum Gottesdienst und redete dort miteinander über alles, was von gemeinsamem Interesse war.
  2. An günstig gelegenen Orten kamen Händler vorbei, bei besonders günstig gelegenen Kapellen wurde eine feste Unterkunft für den Handel gebaut.
  3. Wo gehandelt wird, braucht es Regeln. Diese Regeln müssen aufgeschrieben werden, damit sie im Streitfall präsent sind. Es muss einen Kreis von „Regelaufstellern“ und „Regeldurchsetzern“, einen Aktenschrank und ein Verfahren bei Streitigkeiten geben.
  4. Für Aktenschrank, Versammlung und Gericht wird zusätzlich gebaut.



Ganzert rekonstruiert aus den archäologischen und architekturgeschichtlichen Befunden die Entstehung dieses (des?) mittelalterlichen Rathauses. Lehrstücke arbeiten mit einer genetischen Konstruktion.

Abbildung: Der alleranfänglichste Anfang eines Rathauses (© Ganzert)
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Abbildung: So könnte das Rathaus-Ensemble nach der ersten Entwicklung ausgesehen haben. (© Ganzert)
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So kann auch deutlich werden, was ein „Rathaus“ ist. Ein Rathaus ist nicht schon dann ein Rathaus, wenn ein Haus als Rathaus gebaut ist. Nach Joachim Ganzert6 re-präsentiert ein Rathaus jene Macht/Institution/Einrichtung, in deren „Obhut“ sie selbst für „Obhut“ sorgt. Ihre Regeln müssen wahre, gültige Regeln sein. Es reicht nicht, wenn der Rat der Stadt sie sich nur ausgedacht und dann beschlossen hat. Sie müssen von einem Rat erlassen sein, der selbst in der Obhut der höchsten denkbaren Instanz, also Gottes, steht und in der Verwirklichung des göttlichen Heilsplans arbeitet. Deshalb braucht der Rat den christlichen Gottesdienst vor seiner Arbeit.

Siehe im Anhang den Text von Joachim Ganzert S. [*]



Die christliche Religion kannte nun weder damals noch kennt sie heute aus ihr hervor gehende Regeln der staatlichen Ordnung, der staatlichen Beschlussfassung oder der staatlichen Konfliktregelung7. „Unruhig ist unser Herz, o Gott, bis es Ruhe findet in dir. (Augustinus)“ Das ist der Kern dieser Religion. Man kann sagen, dass ihre Ethik unvollständig ist. Deshalb setzt sie Bereiche des sozialen Lebens frei, die sie zwar unter göttlichen Schutz setzen kann, für die sie aber keine göttlichen Regeln zur Verfügung stellen kann. So entsteht zwangsläufig ein Raum, der anders gefüllt werden muss.

  1. Die christliche Gemeinde bringt die politische Gemeinde hervor. Es sind dieselben Leute am selben Ort, man kann weder aus der christlichen noch aus der politischen Gemeinde austreten. Aber die christliche Gemeinde wird ergänzt durch Einrichtungen, die nicht schon in ihr angelegt sind, sich jedoch als notwendig erweisen. – Der Sinn der politischen Einrichtungen ist jedoch die christliche Gemeinde, die Aufgabe dieser zugleich religiösen und politischen Gemeinde in der christlichen Heilsgeschichte.
  2. Diese Unvollständigkeit der christlichen Religion eröffnete und eröffnet Freiräume für Gedanken anderer Herkunft, vor allem aus der griechisch-römischen Antike. Was immer dort in den politischen Dingen gedacht wurde, konnte übernommen werden, konnte „getauft“ werden. Wenn etwa das Polis-Denken von Aristoteles nicht oder nur eingeschränkt übernommen wurden, hatte es eher Gründe in der gegebene Herrschaftsstruktur der damaligen Zeiten als an ideologischer oder religiöser Unverträglichkeit.

Man kann daher erwarten, dass die dekorative Ausstattung der Rathäuser zwar vornehmlich christliche Motive zeigt, aber auch solche aus der griechisch-römischen Antike, wenn sie zu den politischen Aufgaben des Rathauses passen.


Fassade zum Marktplatz

Auf den ersten Blick, sieht man nicht so ganz genau hin, sieht die Fassade des Rathauses in Lüneburg der Fassade von Hamburg doch sehr ähnlich – oder besser umgekehrt –, die Fassade von Hamburg sieht aus wie die etwas protzige Neuauflage der Lüneburger Fassade: Fenster in Reihen, dazwischen Statuen und in der Mitte ein Turm. Allerdings hat Lüneburg deutlich weniger Statuen, aber dafür zwei Reihen, eine mit Kaisern und darüber einige Göttinnen, während Hamburg nur eine Reihe mit Statuen hat, dafür aber gleich viele, viele ...

Eine Ähnlichkeit gibt es jedenfalls. Und deutliche Unterschiede.

Zentral ist in Lüneburg die Darstellung der Gerechtigkeit, Lüneburg will eine gerecht regierte Stadt sein, was immer das sein mag. In der Mitte der Göttinnen der Tugend steht die Barmherzigkeit, die wichtiger ist als das Recht, und damit höher steht als die Göttin des Rechts, die „Jedem das Seine“ gibt.




Abbildung: Das Rathaus am Marktplatz (https://www.lueneburger-heide.de/stadt/sehenswuerdigkeit/13217/lueneburg-historisches-rathaus.html – © Lüneburger Heide GmbH – bearbeitet)
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Abbildung: Fassade zum Marktplatz
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Die Kaiser

Die Betrachtung geht von unten nach oben.

Abbildung: Die Herrscher und die Gerechtigkeit
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Die Fassade stammt aus dem 18. Jahrhundert, ist also nicht mittelalterlich. Sie macht jedoch den Eindruck, als solle sie altüberliefertes Denken noch einmal in Lüneburg befestigen. Vielleicht darf man deshalb so tun, als wäre es eine mittelalterliche Fassade. Sie wiederholen in der Tat ältere Darstellungen8:

Inschriften an der Ost- und Nordfassade des ehemaligen Richthauses, dem nordöstlichen Teil des Rathauskomplexes. Die ehemals nach Norden zum Ochsenmarkt hin in Nischen aufgestellten Statuen, die vier Kaiser darstellen, waren mit Inschriften versehen. Büttner überliefert die am Rathaus angebrachten Inschriften in dem Zustand, in dem sie sich vor dem großen Umbau der 1720 fertiggestellten Ostseite und der damit verbundenen Umverteilung der Figuren und Inschriften befanden ... . Die Statuen von Justinian und Karl dem Großen trugen nach Büttner darüber angebrachte Inschriften ... , die Statuen Friedrichs II. und Karls V. darunter angebrachte Inschriften ... . Weitere fünf Statuen waren an der Ostseite des Richthauses in Nischen zum Markt hin aufgestellt. Es handelte sich um die Figuren der Tugenden Justitia, Severitas, Clementia, Veritas und Prudentia, die jeweils durch einen Titulus und eine erläuternde Inschrift bezeichnet waren.




Abbildung: Alte Inschriften bei den Kaisern
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Der erste Kaiser links in der unteren Reihe ist Justinian I. von Ostrom / Byzanz / Konstantinopel[*]. Er ist rechtsgeschichtlich von größter Bedeutung9.

Eine der größten und langfristig wichtigsten Leistungen Justinians war zweifellos die Kodifikation des römischen Rechts. Bereits 529 wurde der aus früheren privaten und öffentlichen Sammlungen kompilierte Codex Iustinianus veröffentlicht, 533 erschienen die Digesten (auch Pandekten genannt), eine Sammlung von Schriften klassischer römischer Juristen, verwendet als Lehrbuch für Fortgeschrittene. ...

Die Wirkung des (erst im frühen Mittelalter so genannten) Corpus Iuris war weitreichend: Im 12. Jahrhundert wurde das Corpus an der Rechtsschule von Bologna rezipiert und bildete das Grundgerüst für die Programmatik der Staufer, die sich an die spätantike Kaiseridee anlehnten. Am Ende des Mittelalters galt es als allgemein anerkanntes Recht und beeinflusst bis heute auch die Gesetzgebung und die Lehre im Fach Jura. ... Justinian hatte neben dem Erhalt des rechtlichen Wissensschatzes auch Sorge dafür getragen, dass der überkommene Quellenstoff an die vorherrschende Lebenswirklichkeit angepasst würde.

Allerdings, dunkle Erinnerung aus dem Proseminar in Mittelhochdeutsch, ist die Rezeption des römischen Rechts in Deutschland verbunden mit der Territorisalisierung der Landesherrschaften und einer Verschlechterung der Rechtsstellung der Untertanen. – Aber warum verdreht er sich so albern? Nimmt der Gestalter der Fassade an ihm Rache?




Es folgt Karl der Große10. Er hat als Begründer des fränkischen Reiches die Gebiete südlich der Elbe in die Zivilisation hinein geholt, allerdings mit langem Krieg gegen die Sachsen und damit auch gegen die Vorfahren der Lüneburger11. Die alte Inschrift sagt, mit dem Christentum habe Karl den Sachsen auch das geschriebene Recht gebracht, der Wikipedia-Artikel über ihn enthält dazu nichts.




Der dritte Herrscher ist Kaiser Friedrich II12. Er wird in der alten Inschrift mit dem Sachsenspiegel13 in Verbindung gebracht. (Den beiden Wikipedia-Artikeln ist kein Zusammenhang zu entnehmen.)

Der Sachsenspiegel (niedersächsisch Sassenspegel, mittelniederdeutsch: Sassen Speyghel) ist ein Rechtsbuch des Eike von Repgow, entstanden zwischen 1220 und 1235. Es gilt als das bedeutendste und, gemeinsam mit dem Mühlhäuser Reichsrechtsbuch, älteste Rechtsbuch des deutschen Mittelalters. Zugleich ist der Sachsenspiegel die erste in mittelniederdeutscher Sprache verfasste Prosaliteratur.

Die Bezeichnung Sachsenspiegel beruht auf der Zugehörigkeit zur Spiegelliteratur der Entstehungszeit. Er war vorrangig deutsch-rechtlich, enthielt aber auch wenige Teile römischen und kanonischen Rechts; die neuere Forschung hebt in diesem Zusammenhang die kirchenrechtlichen Einflüsse hervor. ...

Mittelalterliches Recht war mündlich überliefertes Gewohnheitsrecht. Es zeichnete sich aus durch Alter, Bewährung und Verständlichkeit. Systematische Geschlossenheit, begriffliche Klarheit und logische Stringenz waren nicht oder nur ansatzweise vorhanden.

Im 13. Jahrhundert wurde die Rechtsprechung durch Laien gepflegt. Territorien, Städte und Dörfer hatten verschiedene Gerichte und Instanzen. Zudem gab es Unterschiede bezüglich der Stände. Ein großer Kreis von Männern befasste sich folglich mit der Rechtspflege (Urteiler, Dingleute, Gerichtsschöppen). Rechtskenntnisse waren also allgemein verbreitet, aber nicht aufgezeichnet. ...

Das in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts anzunehmende Bedürfnis nach solchen Sammlungen ist vor allem vor dem Hintergrund der damals entstehenden Landesherrschaften zu sehen. Der Hochadel nutzte die Schwäche der Zentralmacht, um sich eigene, möglichst geschlossene Herrschaftsbereiche zu schaffen. Die schriftliche Fixierung von einzelnen Rechtsvorgängen war seit jeher wichtig gewesen, doch nun wurden nicht nur einzelne Vorgänge, sondern Handlungsgrundsätze und Prinzipien zusammengefasst. Der Sachsenspiegel ist das erste umfangreiche Rechtsbuch nicht in Latein, sondern in niederdeutscher Sprache, wenngleich zuerst in Latein geschrieben. Der Sachsenspiegel war kein Gesetz. Der Autor wollte das überlieferte Recht seines Stammes und das Recht als Bestandteil der christlichen Weltordnung schriftlich niederlegen. Dem Unrecht entgegenwirken und Kenntnisse des Rechts verbreiten, waren die Ziele Eike von Repgows ...




Ganz rechts steht Karl V.14.

Karl V. (spanisch Carlos I, französisch Charles Quint; * 24. Februar 1500 im Prinzenhof, Gent, Burgundische Niederlande; † 21. September 1558 in Cuacos de Yuste, Spanien) war ein Angehöriger des Herrscherhauses Habsburg, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und König von Spanien. ...

Mit der 1532 verfassten Constitutio Criminalis Carolina erließ Karl V. das erste allgemeine Strafgesetzbuch im Heiligen Römischen Reich.

Die „Peinliche Halsgerichtsordnung15“:

Die Constitutio Criminalis Carolina (CCC) oder Carolina (in zeitgenössischer Übersetzung Peinliche Gerichts- oder Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V., auch des Keysers Karls des fünften und des heyligen Römischen Reichs peinlich Gerichts ordnung) von 1532 gilt als erstes allgemeines deutsches Strafgesetzbuch. Der Begriff „Peinlich“ bezieht auf das lateinische poena für „Strafe“ und meint Leibes- und Lebensstrafen.




Die vier Kaiser stehen nicht nur für das Recht, sondern für das geschriebene Recht. Erst wenn im Rechtsverfahren das Recht als vorgegebener Text vorliegt, kann das Urteil rechtssicher werden; keine hinreichende, aber eine notwendige Bedingung. – Eine Handelsstadt braucht kodifiziertes Recht.




Jedoch: Und Wenn man sich die vier Gestalten so anschaut und annimmt, dass die Künstler der damaligen Zeit sicher in der Lage waren, majestätische Figuren in Stein zu hauen, dann kommt einem doch der Gedanke, dass die Kaiser vielleicht doch auch ironisiert werden sollten, sie sehen doch etwas albern aus. Aber vielleicht ist das doch Geschmackssache.







Die Göttinnen und die Tugenden

Abbildung: Die Göttinnen und die Tugenden
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Severitas16:

Severitas: „Strenge“ – Selbstbeherrschung, die direkt mit der Tugend von Gravitas verbunden ist. (vorher:) Gravitas – „Schwerkraft“ – ein Gefühl für die Wichtigkeit der Sache; Verantwortung und Ernsthaftigkeit.

Clementia:

Clementia – „Gnade“ – Milde und Sanftmut und die Fähigkeit, frühere Übertretungen aufzuheben.

Veritas:

Veritas – „Wahrhaftigkeit“ – Ehrlichkeit im Umgang mit anderen, personifiziert durch die Göttin Veritas. Veritas, die Mutter des Virtus, galt als die Wurzel aller Tugend; Eine Person, die ein ehrliches Leben führt, musste tugendhaft sein.

Prudentia:

Prudentia – „Klugheit“ – Weitsicht, Weisheit und persönliche Diskretion.

Abbildung: Die alten Inschriften – Die Göttinnen und die Tugenden
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Die Inschriften der alten Fassade weisen bei den Göttinnen der Tugenden auf die Rechtsverfahren.







Barmherzigkeit und Gerechtigkeit

In der unteren Reihe steht in den Mitte der vier Kaiser die Göttin Justitia: „iustitia quique suum tribut – die Gerechtigkeit gibt jedem das Seine“. Die Göttin hat in der rechten Hand ein Schwert und in der linken Hand eine Waage. Sie soll also das Gerichtsverfahren darstellen: So sollen die Richter entscheiden! Ohne Ansehen der Person, aber in aller Schärfe.

Die Reihe der Göttinnen sieht das jedoch Probleme im gesatzten Recht und im Rechtsverfahren. Das Rechtsverfahren soll hart und klar bei erwiesenen Taten und bei erwiesenen Falschbeschuldigungen sein, aber es soll milde und besonnen bei erwiesenen Taten und Tatsachen sein, es muss die Wahrheit herausfinden, besonders jedoch bei falschen Anklagen, und es muss klug zwischen Strenge und Milde abwägen. – Das klingt schon fast modern: Das Strafrecht nicht als Täterstrafrecht, das sich um das Individuum kümmert.

Aber das reichte alles nicht, um die Lüneburger zufrieden zu stellen. In der Mitte der Göttinnen steht die Barmherzigkeit: „Misericordia gloriatur adversus iudicium – Barmherzigkeit ist wichtiger als Rechtsspruch“17. Eigentlich ist damit die gesamte staatliche / städtische Ordnung zerstört. Das Recht ist weniger wichtig als die unmittelbare Begegnung von Mensch zu Mensch. Wenn das Recht das Problem nicht löst, dann kann nur die christliche Tugend der Barmherzigkeit helfen.







Barmherzigkeit18:

Barmherzigkeit ist in der christlichen Tradition keine natürliche Eigenschaft des Menschen, sondern eine Eigenschaft Gottes, die der Mensch einerseits als himmlisches Motiv durch die ihm innewohnende Gottesliebe besitzt und die ihm andererseits in höherer Form und unerschöpflich durch Gott zuteil wird. Schon im Alten Testament gilt Gott vor allem als der „Barmherzige und Gnädige“ und wird immer wieder dafür gepriesen (z. B. Ps 103,8).

Jesus beschreibt Gott z. B. im Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lk 15,11–32) als großzügigen und jederzeit vergebungsbereiten Vater und zeigt so, was Barmherzigkeit bedeuten kann: Eine unverdiente, aber großzügige Zuwendung in bedingungsloser Liebe. Der Apostel Paulus betont die Abhängigkeit des sündigen Menschen von der Vergebung Gottes in dessen unendlicher Barmherzigkeit. Aus Barmherzigkeit rettet Gott die Menschen aus der Verstrickung in ihre Schuld, entweder weil sie ehrliche Reue gezeigt und Buße geleistet oder weil sie zur Umkehr gekommen sind und Gutes getan haben. Aus der Paulusschule stammt der Epheserbrief, der diesen Gedanken erläutert: Eph 2,4–5.

Die von Gott her erfahrene Barmherzigkeit wird dann auch zur Handlungs-Motivation des glaubenden Menschen. In diesem Sinne steht „Barmherzigkeit“ in engem Zusammenhang mit z. B. Nächstenliebe, Menschenliebe oder Humanität (siehe auch Diakonie); die lateinische Bezeichnung ist caritas (daher die katholische Organisation Caritas).

Jesus Christus hat in vielen Gleichnissen Barmherzigkeit verdeutlicht, z. B. im Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25–37). Seine Krankenheilungen waren Akte der Barmherzigkeit (Mk 1,16–20; Lk 8,1–3; Mk 7,31–37). Auch in der Bergpredigt ist von der Barmherzigkeit die Rede:

„Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.“

– Matthäus 5,7

In Jesu Reden ist die menschliche Barmherzigkeit nicht die Voraussetzung für die Barmherzigkeit Gottes und auch nicht ein Verhalten, das gleichsam vertraglich eingefordert werden kann, sondern die Konsequenz der erfahrenen Barmherzigkeit Gottes, wie sie in der Feindesliebe konkret wird (Lk 6,27-34).

„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“

– Lk 6,36

Seit dem Mittelalter zählt man in Abgrenzung zur Barmherzigkeit Gottes die Sieben Werke der Barmherzigkeit auf, die den Sieben Todsünden (Stolz, Neid, Zorn, Geiz, Unmäßigkeit, Unkeuschheit und eben Trägheit des Herzens) gegenübergestellt werden.

Aber irgendetwas stimmt nicht. Will man durch die offenen Rundbögen der Fassade in das Rathaus, kommt man nicht hinein. Da ist kein Zugang. Sucht man den Eingang an den Seiten, stößt man links auf das Tourismus-Büro und danach auf einen Zaun, hinter dem sich einige irgendwie mit der Fassade verbundene Häuser befinden. Geht man nach rechts, trifft man nah der Putzwand auf eine geschlossene Ziegelwand, mit Eingängen in das Haus in unregelmäßigen Abständen. Es sieht also so aus, als ob das „Rathaus“ eine Zusammenstellung von Gebäuden ist, die auf der linken Seite zusammen geführt werden, zum Marktplatz hin von einer Fassade so verdeckt werden, als ob sich dahinter ein großes Herrschaftsgebäude befindet, während es zur linken Seite eine Ansammlung verschiedener miteinander verbundener Gebäude oder Gebäudeteile ist.

Abbildung: Luftbild vom Lüneburger Rathaus (© Ganzert)
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Die Fassade soll das Publikum beeindrucken, sie ist „Show“. Im Haus ist alles womöglich viel bescheidener, auf jeden Fall älter.

Sie ist auch nicht die älteste Fassade, man muss nicht nur einen Schritt weiter zurück gehen. Schon die Spätgotik hatte eine Fassade vor das Rathausensemble gesetzt. Die Fassade ist auf die Repräsentation zum Markt hin bedacht, mit den Gebäuden dahinter ist sie nur lose verkoppelt, weshalb sie ein paar Jahrhunderte durch eine neue ersetzt werden konnte.

Abbildung: Die Fassade des Lüneburger Rathauses um 1608 (© Ganzert)
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Abbildung: Die Erneuerung der Fassade des Lüneburger Rathauses (© Ganzert)
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Abbildung: Die Gliederung der Fassade des Lüneburger Rathauses
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Die Fassade hat vor allem einen politisch-ästhetischen Nutzen, sie soll das Selbstverständnis der Stadt ausdrücken und bei den Bewohnern der Stadt befestigen.


Die Rathaussäle


Die Gerichtslaube – die Ratsdörnse

Die „Gerichtslaube“ wird unter den prächtigen Innenräumen immer zuerst genannt. Weil es aber der zeitlich erste Sitzungsraum / Sitzungssaal ist, bevorzugen die Forscher um Ganzert den Ausdruck „Ratsdörnse".




Betritt man diesen Raum, ist man zunächst überwältigt oder verwirrt von der Vielzahl der künstlerischen Dekorationen. Die Fenster, die Decke, die Wände - alles ist gestaltet. Vernünftigerweise haben die Verwalter des Rathauses den Zugang in den Raum eingeschränkt. Die Malereien an der tonnenförmigen Decke der Gerichtslaube sind gar nicht zu sehen, weil die Besucher die Gerichtslaube nur auf einem abgezäunten Bereich am Eingang betreten können. Das Fenster der „Neun Helden“ ist zu weit weg, um diese Figuren im Einzelnen wahrnehmen zu können. – Dieses Haus existiert schließlich nicht für seine Besucher, sondern seine Besucher haben es zu respektieren, ohne es zu beeinträchtigen. – Und wenn jene, die für das Haus zuständig sind, sagen „Dieses oder jenes geht nicht, lieber Besucher!“, dann ist das eben so.

Da hilft es wenig, wenn der Lehrer selbst fotografieren will. Zum einen ist das Fotografieren während der Führung in den Innenräumen verboten, mittelalterliche Malerei verträgt kein Blitzlicht, zum anderen sind gut dokumentierende Fotos, die man Schülern zeigen könnte, so einfach nicht zu knipsen. Die Lichtverhältnisse verlangen den Foto-Profi. – Ich hatte eine Fotoerlaubnis, bin mit dem Ergebnis nur eingeschränkt zufrieden.




Die Bildsprache in den Räumen und an der Fassade ist dem Besucher auch dann nur schwer zugänglich, wenn er die Reliefs und Bilder überhaupt sieht. Die damalige Denkwelt ist doch völlig anders. Religion, Theologie, und überkommene antike Philosophie prägten das Weltbild. Die Geschichten der Bibel sind bekannt. (Aber sind sie und die alte Philosophie so sehr Allgemeinbildung gewesen, dass jeder – oder fast jeder – die Bilder verstehen konnte?)

Die erste Voraussetzungen wären gute Reproduktionen. Dazu müssen Materialien kommen, die es ermöglichen, die Aussagen der Objekte zu verstehen und in Aussagen übersetzen, die gegenwärtig mehr oder weniger spontan verständlich sind, beispielsweise Texte aus der Bibel. Sie müssen in ein Verhältnis zu den Aufgaben, zur Funktion eines Rathauses zu gesetzt werden. Es geht um das Verständnis von Politik im und durch das Rathaus. – Eine hermeneutische Brücke muss geschlagen werden.

Aus dem „Monumente“-Heft:

Unter dem gestrengen Blick Justitias - Zur Ausstattung der repräsentativen Rathaussäle

Lüneburgs Rathaus als eine überaus kunstvolle Demonstration städtischen Machtwillens zu bezeichnen, stößt sicherlich auch bei denjenigen nicht auf Widerstand, die politischen Deutungen von Architektur im Allgemeinen mit Skepsis begegnen. Die Lüneburger haben in ihrer opulenten Beredsamkeit allerdings nie einen Hehl daraus gemacht, dass wirtschaftlicher Erfolg und gute Regierung durchaus mitteilenswerte, in Architektur und Kunst zu übersetzende Botschaften darstellen. Die repräsentativen Rathaussäle legen davon Zeugnis ab.

Abbildung: Das große Fenster der Gerichtslaube
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Das große Fenster dieses Ratssaals – die Bezeichnung „Gerichtslaube“ kam erst später auf – zeigen die „Neun Heldenbegintex2html_deferred19.

Neun Helden bezeichnet einen literarischen und kunstgeschichtlichen Topos, der erstmals zu Beginn des 14. Jahrhunderts innerhalb des französischen Versepos „Les Vœux du Paon“ (1312) des lothringischen Dichters Jacques de Longuyon aus dem höfisch-ritterlichen Milieu als eine Liste der idealen Ritter aufgestellt wurde.

Diese Gruppe besteht aus:

Die neun Helden zogen als kunstgeschichtliches Motiv europaweit in die Rathäuser und Amtsstuben ein, um die Ratsherren bzw. Amtsträger an eine „gute Regierung“ zu gemahnen (zeittypische Rathausikonographie). Im Kölner Rathaus ist die früheste Darstellung der Neun Helden im deutschsprachigen Raum angebracht: Neun überlebensgroße Steinskulpturen in gotischem Fialwerk schmücken an der südlichen Schmalwand den prächtigen gotischen Prunksaal (Hansasaal). ...

Den Neun-Helden-Zyklus zeigt des Weiteren ein einzigartiges Lüneburger Glasfenster in der so genannten Gerichtslaube im Rathaus (um 1410 entstanden).

Die Suche im Internet ergibt leider nicht, für welche politischen Inhalte der guten Regierung dieses Neun Helden stehen.

Abbildung: Das Weltgericht
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Die Ausmalung des tonnenförmigen Gewölbes ist zum großen Teil für den Besucher nicht zu sehen, nur jener Bogen, der sich am Eingang befindet. Die Figuren sind genau zu erkennen, die Farbe ist kräftig. Diese Ausmalung ist spontan nicht zu deuten. Es muss sich um antike Überlieferungen handeln. – Verstanden die damaligen Ratsherren – Sülfmeister, also Handwerker –, was sie sahen? Oder war das ein Geheimwissen der damaligen Gelehrten, Geschichtenerzähler und Künstler?

Aus dem „Monumente“-Heft:

Als ältester der erhaltenen Innenräume stellt die von einer flachen Holztonne überspannte Ratsstube aus dem ersten Drittel des 14. Jahrhunderts ein regelrechtes Kleinod dar. Der Ratsdörnse, später auch Gerichtslaube genannte Raum im ersten Stock besticht durch seinen ausgewogenen, scheinbar einheitlichen bildnerischen Dekor. Gleich über dem Eingang thront oberhalb einer asymmetrischen Arkatur Christus als Weltenrichter auf der Mandorla. Er wird flankiert von Maria und von Johannes dem Täufer, dem Patron der Lüneburger Hauptkirche. Der Apostel Jakobus d. Ä. und der Prophet Moses komplettieren in den äußeren Ecken des Bogenfeldes den biblischen Bezugsrahmen. Dieses wohl zwischen 1480 und 1495 von dem „Meister des Lüneburger Weltgerichts“ in der Nachfolge von Hans Bornemann und Bernt Notke entstandene Monumentalgemälde erhält in der auf das Jahr 1529 datierten Deckenbemalung eine humanistisch beeinflusste Antwort, besser eine interpretatorische Erweiterung im Geiste der Renaissance. Hier werden – mit Bezug auf die damals bereits gedruckt vorliegenden Werke Burgkmairs, Schäuffeleins und Baldung Griens – nicht mehr biblische Szenen und Heilige beschworen, sondern antike Vorbilder und historisch-realistische Ereignisse, so wie sie Titus Livius in seinen Historien überliefert hat. Religion und Geschichte halten den Zeitgenossen – so die vom Betrachter zu ziehende Quintessenz – gleichermaßen den Sinn und Nutzen einer guten und gerechten Regierung vor Augen.

Abbildung: Umgemälde 1
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Abbildung: Umgemälde 2
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Abbildung: Umgemälde Mitte
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Abbildung: Umgemälde 3
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Abbildung: Umgemälde 4
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Die Große Ratsstube

Auch hier ist der Zugang eingeschränkt, aber dieses Mal nicht durch ein Seil, sondern durch die alte Präsentation der Kunstwerke. Im Großen Ratssaal sind die wichtigen, sehr fein gearbeiteten Reliefs von Albert von Soest[*] über den Türen nur schwer zu erkennen. Man müsste sich ihnen auf einer Trittleiter nähern können, was natürlich ein unmöglicher Gedanke ist. Die Rathausführung erkläre vieles, aber dann muss man weiter.

Das Haus für die „Große Ratsstube“ wurde von 1564 – 1567 gebaut und bis 1584 mit Schnitzereien und Gemälden ausgestattet.

Abbildung: Der Große Ratssaal (© Ganzert + Dott)
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Die Gemälde zeigen wieder das politische Selbstverständnis des Rates.

Abbildung: Respublica (© Ganzert + Dott)
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Die Erläuterung zur „Respublica“ von Maike G. Haupt20 zeigt, dass die Republik unter dem Herrgott, geleitet vom Heiligen Geist, mit Hilfe der Gerechtigkeit und dem Bemühen um Eintracht Frieden in der Stadt ermöglicht. Der Rat ist unter der Silhouette der Stadt Lüneburg daran beteiligt, allerdings eher passiv entgegennehmend21.

Siehe im Anhang den Text von Maike G. Haupt S. [*]

Die Respublica ist etwas später auch in der alten Ratsdörnse angebracht worden.

Abbildung: Respublica 2 (© Ganzert + Dott)
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Exkurs: Gute und Schlechte Regierung im Rathaus von Siena

Sie war also eine sehr beliebte Allegorie. Sie war in Europa weit verbreitet. Die berühmteste Darstellung befindet sich im Rathaus von Siena. Nähere Beschreibungen des „Buon Governo“ und des „Mal Governo“ bei Dagmar Schmidt22.

Abbildung: Respublica – Die gute Regierung
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Das Bild ist etwas anders aufgebaut. Es sieht zweigeteilt aus: Auf der rechten Seite ein großer Regent mit seiner Umgebung, links eine kleinere Frau Gerechtigkeit, in der unteren Hälfte beide verbindend die Bürgerschaft Sienas. In der Mitte der Friede, eine besonders schön und angenehm gemalte Frau, am rechten Rand Bewaffnete und Gefangene.

Gott und Heiliger Geist fehlen. Diese „Gute Regierung“ beruht auf Bürgertugenden, nicht auf Re-Präsentanz eines Religiösen. Sie mahnt die Bürger, sie warnt vor dem Gegenteil, der „Schlechten Regierung“.

Siehe im Anhang den Text von Dagmar Schmidt S. [*]

Abbildung: Respublica – Die gute Regierung 2
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Der Regent mit seinen Ratgeberinnen: Pax, Fortitudo, Prudentia, Magnanimitas, Temperantia, die Justitia hat eine eigene Bildhälfte.

Abbildung: Pax – Friede
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Der Friede ist besonders schön gestaltet (Dagmar Schmidt):

Lassen wir unseren Blick noch einmal über das Fresko gleiten, so wird uns eine Figur besonders auffallen: die Pax. Sie besticht durch ihre Schönheit und ihre anmutige Pose. In ihrem durchschimmernden, fliessenden Gewand, das ihren Körper umhüllt, lenkt sie alle Blicke auf sich.

Abbildung: Justitia – Gerechtigkeit
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Die Gerechtigkeit ist aristotelisch sowohl strafend als auch austeilend, Strafjustiz und Sozialpolitik / Sozialfürsorge im selben Zusammenhang.

Die Schlechte Regierung sieht ganz anders aus.

Abbildung: Respublica – Die schlechte Regierung
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Ohne die Verfassung der Stadtrepublik von Siena zu kennen: Der Gegensatz von „Guter“ und „Schlechter“ Regierung könnte eine Aufnahme der Unterscheidungen von Aristoteles sein[*].



Herrschende Gemeinwohl Eigennutz
Einer Monarchie Tyrannis
Wenige Aristokratie Oligarchie
Viele (Alle) Politie Demokratie



Die „Gute Regierung“ scheint eine Kombination aus Monarchie und Aristokratie zu sein, eine Mischverfassung. Diese Variante kommt bei Aristoteles zwar nicht vor, aber er würde vermutlich einfach sagen: „Wenn es denn gut geht, wenn es denn nützt, warum nicht?“ Aristoteles klärte Grundfragen, lehrte keine Dogmen.

Die Grundfrage, die in diesem Bild aufgegriffen wird, ist jedoch ganz aristotelisch: Welche Institutionen sind für einen guten Staat erforderlich und wie ist das Zusammenspiel dieser Institutionen zu konzipieren?

Siehe dazu im Anhang den Text von Volker Reinhardt S. [*]



In Siena kannte man also das Gegenbild zu einer guten Regierung. Nach Volker Reinhardt23 erfüllte diese Allegorie zwei Funktionen:

  1. Sie diente der politischen Selbsterziehung der städtischen Elite. Sie sollten jene Tugenden ausbilden, die für das Gemeinwohl erforderlich sind.
  2. Sie diente aber auch der Selbstdarstellung nach außen – „So sind wir!“ –, wenngleich sie im Alltag eben doch im Rat nach ihren ganz persönlichen, ganz egoistischen Interessen entschieden. Es ist eben auch die Dekoration des Rathauses durch die herrschende Klasse.

Aber diese Elite hatte die Katastrophe immer vor Augen: Wenn nicht letztlich nach den Tugenden regiert wird, schlägt die Herrschaft in der Stadt in die Tyrannis um. – Ein Widerspruch von Selbstbild und Realität, der in Klassengesellschaften zwangsläufig auftritt, auch in den modernen Demokratien: Die einen haben faktisch-praktisch mehr zu sagen als die anderen; diese einen arbeiten für anderen am Gemeinwohl und doch fließen ihre eigenen Klasseninteressen in diese Arbeit ein.

Dieses Gegenbild der schlechten Regierung fehlt in Lüneburg, in der Ratsdörnse steht dafür die große Darstellung des Jüngsten Gerichts, die die Ratsherren an ihre unendliche Rechenschaftspflicht vor Gott erinnert; im Großen Ratssaal ist die Gerichtsdarstellung schon etwas kleiner geraten.

Damit fehlt in Lüneburg noch mehr: Die Prüfung der Frage nach der Beteiligung der Einwohner oder auch nur der „Bürger“. Es fehlt auch die Frage nach den richtigen Institutionen und ihrem Verhältnis zueinander.





Heute brauchen wir für diese Bilder eine Lesehilfe. Die gebildeten Menschen, die die Bilder zur Zeit ihrer Entstehung sahen, konnten sie deuten. Die Lüneburger Patrizier hatten eine umfassende humanistische Bildung / Ausbildung – dazu Hermann Hipp24 –, die sie an verschiedenen deutschen und ausländischen Universitäten erworben hatten. Es ist durchaus möglich, dass einer von ihnen in Siena gewesen war oder solch ein Bild in einer anderen Stadt gesehen hatte und den Maler auf das Motiv aufmerksam gemacht hat. Den „einfachen“ Leuten, die weit überwiegende Mehrheit der Lüneburger, musste man diese Bilder natürlich erklären. Wäre interessant zu wissen, ob man das auch gemacht hat.

Siehe im Anhang den Text von Hermann Hipp S. [*]

Die Ausstattung dieses großen Saals ist schwer zu dokumentieren25.

Abbildung: Wand gegenüber
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Abbildung: Frieden
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Text unter dem Bild vom Frieden26:

Psalm 85

9 Könnte ich doch hören,
was Gott der Herr redet,
dass er Frieden zusagte seinem Volk und seinen Heiligen,
auf dass sie nicht in Torheit geraten.
10 Doch ist ja seine Hilfe nahe denen, die ihn fürchten,
dass in unserm Lande Ehre wohne;
11 dass Güte und Treue einander begegnen,
Gerechtigkeit und Friede sich küssen;
12 dass Treue auf der Erde wachse
und Gerechtigkeit vom Himmel schaue;
13 dass uns auch der Herr Gutes tue
und unser Land seine Frucht gebe;
14 dass Gerechtigkeit vor ihm her gehe
und seinen Schritten folge.

Abbildung: Das Jüngste Gericht
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Vom Jüngsten Gericht Matthäus 25

31 Wenn aber der Menschensohn kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann wird er sich setzen auf den Thron seiner Herrlichkeit, 32 und alle Völker werden vor ihm versammelt werden. Und er wird sie voneinander scheiden, wie ein Hirt die Schafe von den Böcken scheidet, 33 und wird die Schafe zu seiner Rechten stellen und die Böcke zur Linken. 34 Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! 35 Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. 36 Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen.

37 Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben? Oder durstig und haben dir zu trinken gegeben? 38 Wann haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich aufgenommen? Oder nackt und haben dich gekleidet? 39 Wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen? 40Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch:

Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. 41 Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln! 42 Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir nicht zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir nicht zu trinken gegeben. 43 Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich nicht aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich nicht gekleidet. Ich bin krank und im Gefängnis gewesen und ihr habt mich nicht besucht.

44D dann werden auch sie antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig gesehen oder als Fremden oder nackt oder krank oder im Gefängnis und haben dir nicht gedient? 45 Dann wird er ihnen antworten und sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr nicht getan habt einem von diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan. 46 Und sie werden hingehen: diese zur ewigen Strafe, aber die Gerechten in das ewige Leben.




Offenbarung des Johannes 20

11 Und ich sah einen großen, weißen Thron und den, der darauf saß; vor seinem Angesicht flohen die Erde und der Himmel, und es wurde keine Stätte für sie gefunden. 12 Und ich sah die Toten, Groß und Klein, stehen vor dem Thron, und Bücher wurden aufgetan. Und ein andres Buch wurde aufgetan, welches ist das Buch des Lebens. Und die Toten wurden gerichtet nach dem, was in den Büchern geschrieben steht, nach ihren Werken. 13 Und das Meer gab die Toten heraus, die darin waren, und der Tod und die Hölle gaben die Toten heraus, die darin waren; und sie wurden gerichtet, ein jeder nach seinen Werken. 14 Und der Tod und die Hölle wurden geworfen in den feurigen Pfuhl. Das ist der zweite Tod: der feurige Pfuhl. 15 Und wenn jemand nicht gefunden wurde geschrieben in dem Buch des Lebens, der wurde geworfen in den feurigen Pfuhl.




Aus dem „Monumente“-Heft:

Nach der „Alten Ratsstube“ setzt die um mehr als 200 Jahre jüngere, noch um vieles prachtvoller ausgestattete „Große Ratsstube“ des zwischen 1564 und 1567 errichteten Renaissancebaus am Ochsenmarkt einen weiteren künstlerischen Akzent. Mit Malereien von Daniel Frese, virtuosen Schnitzarbeiten Albert von Soests und der von Gert Suttmeier geschaffenen Vertäfelung haben Kunst und Politik hier wohl zu ihrem eigentlichen Höhepunkt in der Interpretation des Lüneburger Gemeinwohls zusammengefunden. Wieder drängen die Hinweise auf Recht und Gesetz, auf Gericht und Urteilsfindung in den Vordergrund; wieder kulminiert das bildnerische Programm in einem Konzert angestammter Tugenden und einem Ausblick auf Darstellungen des Weltengerichts – diesmal allerdings nicht auf Leinwand gemalt, sondern dreidimensional in den Raum komponiert, aus Holz geschnitzt und als sprechender Schmuck den Portalen und dem Ratsstuhl beigegeben.

Albert von Soest war es, der zwischen 1568 und 1574 das grandiose Jüngste Gericht in der Ädikula des zur Bürgermeisterkorkammer führenden Portals schuf und ihm beidseitig neben der Giebelverdachung verschiedene Apostelgestalten zur Seite stellte. Der Verweis auf die letzte Rechtfertigung, der sich niemand, auch kein Inhaber weltlicher Macht, entziehen kann, setzt sich fort über Allegorien der Veritas und der Prudentia an der Tür zur Kollektorei bis zum aufwendig gestalteten Hauptportal des Raumes mit einem Figurenprogramm zum Thema der „Neun guten Helden“, das bereits in der Alten Ratsstube die Scheiben der gotischen Fenster schmückte. Am Portal der Südwand wiederum begegnen Darstellungen von Fides und Justitia. Das Thema Recht und Gerechtigkeit setzt sich von den Portalen fort in der bildhauerischen Ausstattung des Ratsstuhls und wird dort variiert in Figurenfolgen zum Urteil Salomons und zur Verlesung des Gesetzes. Auch hier, an der Südwange des Gestühls, macht Justitia auf sich aufmerksam, sie ist bekrönt von einer Vergegenwärtigung des Jüngsten Gerichts und der Erinnerung an das Gesetzbuch des Moses - alles in allem eine höchst kunstvolle Neuinterpretation der Botschaft der ersten Ratsstube, ein Verweis auf die Kontinuität des politischen Tugendkanons, auf die Notwendigkeit der Rechtfertigung, die Vorzüge der Guten Regierung.


Der Fürstensaal

Der Stadtführer27:

Der Fürstensaal, bis heute für festliche Veranstaltungen genutzt, besitzt eine Grundfläche von etwa 34 mal 10 Metern. Der spätmittelalterliche Raumcharakter hat sich erhalten.

Seinen Namen verdankt der Fürstensaal den Wandgemälden mit den Darstellungen fürstlicher Ehepaare aus dem Haus Braunschweig-Lüneburg vom 13. bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts, jeweils unter Beigabe der persönlichen Wappen. ...

Einen starken Akzent setzt die Bemalung der Decke. Im Wechsel mit doppelköpfigen Adlern erscheinen in Medaillons fiktive Porträts der römischen und deutschen Kaiser mit Beischrift. Der Unterzug, von dem fünf gotische Geweihleuchter herabhängen, trägt die Namen und Wappen der Lüneburger Bürgermeister und Ratsherrn des Jahres 1607.

Abbildung: Der Fürstensaal 1
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Abbildung: Der Fürstensaal 2
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Abbildung: Fürsten über Lüneburg 1
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Abbildung: Fürsten über Lüneburg 2
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Abbildung: Römische Kaiser
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Abbildung: Deutsche Kaiser
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Im Unterricht

In welcher Altersstufe kann diese Unterrichtseinheit unterrichtet werden? Das ist schwer zu sagen, weil es noch keine Erfahrungen dazu gibt. Der erfahrene Lehrer, der seine Klasse kennt, wird Umfang der Unterrichtseinheit und der Materialien ebenso bestimmen können wie die Vorgehensweise des Unterrichts. Erst nach Erfahrungen kann man da Allgemeines sagen.

Etwas anders steht es mit dem unterrichtlichen Rahmen für einen Rathaus-Unterricht. Diese Unterrichtseinheit sollte nicht allein stehen. Die Stadt bildet Grund und Rahmen des Rathauses. Vielleicht wird im Geschichtsunterricht über die mittelalterliche Stadt gesprochen, über ihre Entstehung und ihr inneres Leben, über die mittelalterliche Klassengesellschaft. Oder es gibt im Geographie-Unterricht eine Unterrichtseinheit, die sich mit der Verstädterung Welt beschäftigt. Im Ethik- oder Philosophieunterricht geht es um Grundfragen der Politik. Der Politikunterricht beschäftigt sich mit Kommunalpolitik. Die Geschichte der BAustile steht im Kunstunterricht an.

Alles am und im Rathaus verweist auf andere Bereiche des Lebens, die in der Schule in anderen Fächern verhandelt werden. Deshalb wäre es gut, wenn eine Rathaus-Unterrichtseinheit von verbundenen Unterrichtseinheiten auch in anderen Schulfächern begleitet werden könnte. (Aber das muss natürlich nicht beim ersten Druchgang geschehen.)



Kategorien der Analyse eines Rathauses, die in Forschungs- und Schülerfragen umgewandelt werden können:

Abbildung: Zur Analyse eines Rathauses
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  1. Außen (Turm, Fassade, Treppe, Balkon, Portal, Treppe)
  2. Innen (Festsaal Ratssaal Amtszimmer des Bürgermeisters, Arbeitsräume der Verwaltung, Archive)
  3. Bauart (Ensemble von Gebäude, einzelnes Gebäude, Baustil und Architektur)
  4. Ausstattung (Statuen, Reliefs, Gemälde, Wandmalerei, Glasfenster, Schnitzereien)
  5. Re-Präsentanz (Gott, Gottes Herrschaft, Gottes Heilsgeschichte, Gottes Gesetz, Gottes Gebot)
  6. Souveränität (Fürst – Landesherr, Patriziat, Bürger, Volk)
  7. Politische Ordnung - heute (Wahlen, Parteien und Wählergemeinschaften)
  8. Institutionen (Rat, Bürgermeister, Stadtdirektor)
  9. Öffentlichkeit (Lokalzeitungen, Verbände, Vereine, Kirchen)

Und jedes Mal weist der Gegenstand Rathaus über sich hinaus. Weshalb er von anderen Unterrichten begleitet werden sollte.



Diese Kategorien können auch in Entwurfsaufgaben umgewandelt werden, beispielsweise:

  1. Eine äußere Gestalt, die die besondere Bedeutung des Hauses nach außen hervorhebt und eine besondere Botschaft vermittelt,
  2. eine innere Gestaltung als Ort des demokratischen Austausches und der demokratischen Entscheidung zeigt, jedoch unter den Bedingungen der gegenwärtigen ökologischen Herausforderungen,
  3. eine Bauart, die den gegenwärtigen Herausforderungen gewachsen ist, darin Vorbild für ihre Bürger,
  4. eine Ausstattung mit „Kunst am Bau“: Demokratie und ökologische Herausforderung,
  5. diese Herausforderungen repräsentierend und legitimierend,
  6. die demokratische Souveränität der Bürger – des Volkes,
  7. darin auch die Grundzüge der politischen Ordnung darstellend,
  8. den Institutionen Möglichkeiten zur Arbeit und zur Selbstdarstellung geben,
  9. und Zugangsmöglichkeiten für das gesellschaftliche Leben schaffen.

Abbildung: Zum Entwurf eines Rathauses
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Und wieder weist der Gegenstand Rathaus jedes Mal über sich hinaus. Weshalb er von anderen Unterrichten begleitet werden sollte.



Anschauen, irritiert sein, verstehen wollen – das ist ein recht traditioneller Dreischritt der Unterrichtsführung28.

Eine grundlegende Schwierigkeit ist, dass die Schüler das Rathaus nicht einfach so besichtigen können. Man kann nicht hineingehen und sich umsehen, wie das bei alten Kirchengebäuden möglich ist. Zum einen werden Teile der Gebäude täglich genutzt, zum anderen sagen die Denkmalhüter, dass viele der Kunstwerke in den für Besichtigungen interessanten Räumen sehr empfindlich auf Temperatur und Luftfeuchtigkeit reagiert. Und außerdem müssen die Besichtigungen beaufsichtigt werden.

Uneingeschränkten Zugang gibt es nur die Fassade; solange das Wetter mitmacht, kann jede Besichtigungsgruppe dort so lange stehen und vom Markt aus hinaufschauen, wie sie will. Aber in das Rathaus kommt man nur mit einer Führung. Man geht in einer Gruppe durch wichtige Räume und bekommt dazu Erklärungen. Selbständiges Entdeckertum ist kaum möglich. Das hat natürlich Folgen für die Unterrichtsführung.



Es gibt viele Möglichkeiten, den Unterricht durchzuführen.

Die einfachste ist, dass die Schüler im Rahmen eines Klassenausflugs eine Besichtigung mitmachen. Am nächsten Tag wird das Erlebte im Klassenzimmer besprochen. Vielleicht müssen die Schüler auch noch etwas schreiben. – Soll das Ziel dieses Unterrichtsvorhabens sein, dass die Schüler ein wichtiges Gebäude aus ihrer Region kennen lernen, ist gegen solch einfachen Unterricht gar nichts einzuwenden.



Etwas aufwendiger ist ein Unterricht, der die Schüler an diesem Gebäude etwas grundlegend Wichtiges im Zusammenleben der Menschen entdecken lassen will. Dann steht dieses Rathaus für alle Rathäuser. Eine Stadt hat ein Rathaus, ganz selbstverständlich. Ohne Rathaus ist eine Stadt kein Rathaus, sondern ein Kuhdorf irgendwo in der Landschaft auf dem Acker. Stadt kann man geradezu übersetzen mit „Rathaus-habend“. Das Rathaus – jedes Rathaus – muss also aus der Stadt erklärt werden.

Die Leitfrage ist dann: Was ist ein Rathaus? (= Warum hat man sowas? Warum gibt es das überall, jedenfalls in Europa? Was soll uns, den Bürgern, das Rathaus sagen?)

Diese Frage führt zu einem genetischen Lehrgang: Das Rathaus von seinem Anfang bis in die Gegenwart, Sinn – Zweck - Entwicklung. Und in diesem Gang kann der Schwerpunkt unterschiedlich gelegt werden: Politikgeschichtlich oder kunstgeschichtlich oder eine Kombination aus beidem. Alles, was wichtig und interessant sein könnte oder gar ist, zum Gegenstand des Unterrichts zu machen, wäre zu viel. Roter Faden und klarer Gang.

Es wird wenig doziert. Die Schüler sollen die Leitfrage selbst über die Betrachtung, Befragung und Dokumentation der einzelnen Teile des Rathauses beantworten. – Schön wäre eine Folge: Was machen die Stadt, die kommunale Selbstverwaltung, die Kommunalpolitik heute? – Oder in Kooperation mit dem Kunstunterricht? Vielleicht sogar im Kunstunterricht?



Ein möglicher Ablauf:

  1. Die Lerngruppe besucht das Rathaus.
    1. Sie schaut sich die Fassade zum Marktplatz an, versucht, sie zu vorläufig im Gespräch untereinander und mit dem Lehrer beschreiben und zu verstehen. Handy, Google und Wikipedia helfen. Die Fassade wird gründlich fotografiert.
    2. Sie nimmt an einer Führung teil; Weil sie nicht fotografieren darf, füllt dabei einen vom Lehrer erstellten (sehr knappen) Aufgabenkatalog aus. Gibt es Kunstpostkarten?
  2. Im Klassenzimmer werden die Fassadenfotos ausgewertet.
    1. Beginn bei den Kaisern: Warum gerade diese Kaiser? Was haben sie gemeinsam?
    2. Die Göttinnen der Tugenden: Klärung der Tugenden, ihrer Inhalte
    3. Die mittleren Figuren in beiden Reihen:
      • Die mittlere Figur in der Kaiserreihe betont die iustitia, damit wird die Bedeutung der Kaiser zusammen gefasst.
      • Die mittlere Figur in der Reihe der Tugendgöttinen sprengt den Rahmen der instituionellen iustitia.
  3. Ebenso werden die Rathaussäle bearbeitet. Der Lehrer muss mit einem Beamer / einem Whiteboard Fotos dieser Säle und gegebenenfalls auch aus Siena oder anderen Rathäusern zeigen können.
  4. Das Entstehen und das langsame Wachsen des Rathaus-Komplexes (nach Ganzert u.a.).
  5. Erstellen einer Dokumentation
    1. Was verstanden die Erbauer des Rathauses, quer durch die Jahrhunderte, als Sinn und Zweck einer Stadt, ihrer Stadt? Jeweils an einzelnen Teilen des Rathauses aufgewiesen. – Eine Anregung für heute? – Im Vergleich?
    2. Zu Gerechtigkeit und Barmherzigkeit:
      • Was können Barmherzigkeit und Gerechtigkeit bedeutet haben? – Im Vergleich?
      • Eine Anregung für heute? – Im Vergleich



Solche genetischen, vor allem kognitiven Lehrgänge sind notwendig, damit man lernt, welche Fragestellungen und Arbeitsaufträge bei den Schülern „fassen“ und die Herausbildung eines (kleinen) begrifflichen Konzepts zum Thema Rathaus fördern.

Man kann aber noch einen Schritt weiter gehen: Die Ursprungssituationen bei der Entstehung und Gestaltung des Rathauses den Schülern als ihre Aufgabe, ihre Herausforderung aufgeben; also ein Lehrstück entwerfen29.

Es müssen solche Situationen gefunden und ausgestaltet werden, die grundlegende politische und kulturelle Einsichten ermöglichen. (Spielen um zu spielen, das geht nicht.)

Es geht um Aushandlung, Entscheidung und Durchführung. Diese Vorgänge im Klassenzimmer wären zu dokumentieren und ins Verhältnis zu dem Rathaus zu setzen, wie es jetzt zu sehen ist.

Die Entwicklung solch eines Unterricht läuft über einige Irrtümer und viel Misslingen, bis ein publikationsfähiger Bericht entsteht.



Was bislang bei mir in allem fehlt: Die niedere Gerichtsbarkeit, in der Fassade rechts unten. Könnte sein, dass das zu einer Umgestaltung des gesamten Stücks führt: Gerechtigkeit als Thema, darin auch Strafjustiz.


Anhang


Joachim Ganzert – Was ist ein „Rathaus“?

Die Errichtung/Einrichtung des Consistoriums mag nun den Eindruck der entscheidenden Herausbildung gewissermaßen der eigentlichen Urzelle des Rathauses erwecken, scheint damit doch das vermeintlich wichtigste Element eines Rathauses, nämlich ein Versammlungsort für den Rat, geschaffen. Diese allzu einleuchtende Vorstellung sozusagen von einem Rathaus-, Kernbau' soll in diesem Exkurs durch eine weniger pauschale Sicht auf die „Rathaus“-Genese und die Beantwortung der Frage „Was ist ein Rathaus?“ ersetzt werden. ...

Würde man unter „Rathaus“ also lediglich ein Haus verstehen, das einen Saal (oder Versammlungsraum wie z.B. das Consistorium und eine Schreibstube beinhaltet, ... so wäre dies natürlich ergänzungsbedürftig insofern, als es bei einem Rathaus ja eben nicht nur um „Räume“ geht. Unabhängig aber davon, wie dies letztlich gemeint war, sind mit „Saal“ und „Schreibstube“ durchaus Räumlichkeiten benannt, die zu einem Rathaus schlechthin natürlich dazu gehörten bzw. dazu gehören; doch damit wäre es noch kein Rathaus.

Versuchen wir dies am Beispiel einer „Ratsapotheke“ zu veranschaulichen, was ja mehr als nur „Apotheke“ bezeichnete, nämlich eine Apotheke unter der Obhut des Rates, womit Herstellung und Verteilung von „Heil-“ und nicht von „Unheilmitteln“ gewährleistet werden sollten. Mit „Rat“ war hier also in erster Linie eine Instanz der Obhut (hinsichtlich Rechten und Pflichten), der Gewährleistung von Gemeinwesensfürsorge angesprochen. Dementsprechend bezeichnet „Rathaus“ zwar auch ein Haus unter der Obhut des Rates, darüber hinaus aber vor allem und in erster Linie ein Haus der „Ratsobhut“ als öffentliche Instanz. Da „Obhut“ Anwendung von Recht und Ausübung von Herrschaft bedeutete und sie vor Eigennutz und Eigenmächtigkeit, also vor Missbrauch geschützt und damit ebenfalls unter „Obhut“ gestellt sein musste (damit das Rathaus, ähnlich der Apotheke, für „Heilsherrschaft“ und nicht – sozusagen – für „Unheilsherrschaft“ bürgte), konnte die Ratsobhut ja nun nicht unter ihrer eigenen, nämlich des Rates Obhut stehen – das wäre ein Zirkelschluss und damit wertlos gewesen. Deshalb bedurfte es einer weiteren Instanz, nämlich gewissermaßen einer „*Ob*-Obhut“, und darunter verstand man: „göttliche / himmlische Obhut“ als nichtirdische „Richt-Instanz“. Dieses transzendentale Dimensionieren folgt einem prinzipiell universalen Bewusstseins- und Anspruchsniveau, dessen Anliegen eine entsprechende Referenz- und Gewährleistungstiefe sowie Verwirklichungsernsthaftigkeit hinsichtlich Ratsobhut ist. ... Nur durch solch „heilige“ Rechtfertigung seines an besagten Richt-Idealen gemessenen Heilsherrschaftshandelns („Ratsobhut“) gegenüber der nichtirdischen Instanz („Ob-Obhut“) also konnte der Rat Legitimation gewinnen; ...

Höchste Gerechtigkeit verband man seit je mit göttlicher Herrschaft, ja, sie war dadurch per definitionem gekennzeichnet. Und sie als „Heilsherrschaft“ auf Erden zu verwirklichen, sie zu vergegenwärtigen, war „heilige“ Pflicht „sakraler Herrschaft“. ... Der Herrscher hatte „Ver-Gegenwärtiger“, also „Re-Präsentant“ göttlicher Heilsherrschaft: zu sein und sich mit ihrer Gewährleistung zu rechtfertigen. ... Nur durch Eingliederung in den überlieferten „heilsgeschichtlichen Rechtfertigungszusammenhang“, nämlich durch tradiert-ritualisierte Verpflichtung zu bindender „Stellvertretung/Vergegenwärtigung göttlicher Heilsherrschaft“ ließ sich der überkommene Geltungsanspruch einlösen. ...

Der Beispiele, auf die man sich dabei immer wieder beschwörend bezog bzw. zu beziehen hatte, gab es viele – ob zurecht oder nicht, sei dahingestellt, denn es ging weniger um historische Korrektheit (was immer das auch heißen mag), als um erneuert wahrgenommene, aktualisiert-interpretierte Ideale und deren Deklaration als solche: Sowohl Könige und Kaiser der heidnischen Antike, als auch das nicht nur jüdisch-christliche, sondern auch in anderen Religionen/Konfessionen als Beispiel par excellence geltende Vorbild für einen gerechten König, nämlich Salomo, kamen dabei in Frage. Hinsichtlich Rechtsprechung galt das Beispiel der Salomonischen Rechtsprechung als ein stets in Erinnerung gebrachtes, unbestrittenes Ideal und die Verpflichtung zu beständig neuer Bindung an dieses Ideal und seine Verwirklichung gab dem Rechtsprechenden die nötige Legitimation ... .

Durch die verbindliche, d.h. der „*Ob*-Obhut“ heilig verpflichtete Festlegung auf „Heilsherrschaft“ und damit auf Verbürgung von gerechter Obrigkeit und gelingendem Gemeinwesen wurde der qualitativ-zentrale Sprung von (irgend)einer sich nur beratenden Personengruppe zu einem „re-präsentierenden, d.h. ver-gegenwärtigenden Rat“ garantiert und stellte auch in Lüneburg —- verglichen z.B. mit einem Kristallisationsprozess -— den essentiellen „Kristallkern“ dar, dem dann „Kristalle“ entwachsen konnten. Und „Kristalle“ heißt dann eben architektonische Manifestationen, z.B. in Form von Bauten mit Funktionen, die unter legitimierter Ratsobhut standen; ... Ob sich dabei schon irgendetwas tatsächlich architektonisch manifestierte, war durchaus fallabhängig und nicht von primärer Wichtigkeit. Unter Umständen war also eine garantiert funktionierende (weil unter Ratsobhut stehende) „Waage“ oder eine verlässliche (weil unter Ratsobhut stehende) „Zeitanzeige“, eine Uhr an einem bestehenden Turm zum Beispiel (wie in Lüneburg) oder andere Funktionsbauten zunächst einmal wichtiger als ein Rathaus als Einzelgebäude an sich; denn auch die unter Ratsobhut stehenden Funktionsgebäude müssen als Teile des „Rathauses“ angesehen werden. Wirklich entscheidend war, dass die Ratsobhut keine behauptete oder angemaßte war, sondern eine nicht nur innerweltlich ge- und versicherte Instanz.

Dem Beispiel „Kristallisationsprozess“ entsprechend ließe sich also das früheste Stadium der Genese eines Rathauses mit der Bildung des „Kristallkerns“ in einer heranreifenden und dann „gesättigten Atmosphäre“ vergleichen. Als ein Beitrag zu Entstehung und Reifeprozess einer solchen Atmosphäre trug natürlich die Herausbildung eines „Rates“ bei (doch dies musste sich erst einmal vollziehen). ... Das lässt sich in etwa mit der Situation der „frühchristlichen Kirche“ vergleichen, die sich überall dort bildete und präsent war, wo „zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen“ (Matthäus 18, 20), also unter der *Ob*hut Christi in diesem Fall. Solcher Begriff von „Versammlung/ ecclesia Kirche“ bedurfte keiner eigenen architektonischen Manifestation. Und so kann sich der Rat an welchem Ort auch immer versammelt haben, sofern er vorher, z.B. in einer Kirche/Kapelle im Rahmen einer/s Andacht/Gottesdienstes, seine Vergegenwärtigungslegitimation erneuert hatte. Die eindeutige und ausgeübte Bindung an das himmlisch-göttliche Herrschafts- und Gerechtigkeitsideal bildete die Basis für eine jegliche Rathaus-Genese und -Zukunft. Insoweit teilte sich ein „Rathaus“ durchaus auf mehrere Gebäude auf, ja, eigentlich ging die Bedeutung „Rathaus“ eben stets über nur ein Gebäude hinaus, denn es stand ja gewissermaßen für die ganze Stadt; und dies bildete sich im „Rathaus“ als „Rat-/Häuser-Komplexbau“ und als „Wirkungsaggregat' ab.

Wenn die „Atmosphäre“ — um beim Beispiel des Kristallisationsprozesses zu bleiben — dann so gesättigt war, dass sich Bauliches in Form einer eigenständigen Rathaus-Instanz „herauskristallisieren“ konnte bzw. „herauskristallisiert“ hatte, dann hatte es mindestens vier Grundfunktionen zu erfüllen, die – zwar formal durchaus unterschiedlich, prinzipiell aber analog – in Architektur und Ausstattung entsprechend zum Ausdruck kamen:

  1. Haus der „Instanz der Unter-Obhut-Stellung der Ratsobhut“, womit sie zu einer Gewährleistungsschutz bietenden Instanz für Heilsherrschaftshandeln wurde und nur durch solch gebundenes Handeln Legitimation gewinnen konnte.
  2. Haus der „Instanz der Ratsobhut“.
  3. Haus angemessenen Auftretens (In-Erscheinung-Tretens) dieser legitimierten Instanz vor der Öffentlichkeit und der Vermittlung ihres Heilsherrschaftshandelns.
  4. Haus des Rates und unter Obhut des Rates.

Erst diese vier nicht zu trennenden Qualitäten und Funktionen machten ein Gebäude bzw. Gebäude-Ensemble zu einem Rathaus, zu einem Instanzen-Aggregat, dessen Saal deshalb nicht nur ein einfacher Versammlungssaal, sondern ein auf die ange­sprochenen Legitimations- und Herrschaftsideale bezogener, d.h. an sie appellierender, ja, sie beschwörender und sie (semi-)sakral vergegenwärtigender sowie ermöglichender Raum zu sein hatte. Entweder dieser oder ein zusätzlicher Raum bzw Bereich musste zudem für Rechtsprechung/-verkündung vorgesehen und architektonisch ähnlich legitimierend gestaltet bzw ausgestattet gewesen sein wie der Saal. Da Rechtsprechung an Öffentlichkeit gebunden war, gab es dafür häufig ein eigenes Richthaus (mit Laube) oder zumindest eine Laube, die sich als halboffener Raum für einen Vermittlungsbereich zwischen Richtenden und Öffentlichkeit eignete; natürlich konnte sie auch für andere Vermittlungsbelange genutzt werden.


Maike G. Haupt – Die Respublica

Das dritte, 1578 datierte Gemälde der Südwand zeigt vor der Lüneburger Stadtansicht vier Allegorien, die mit »RES PVBLICA«, »PAX«, »IVSTITIA« und »CON-CORDIA« bezeichnet sind. Es handelt sich bei dem Bild somit um eine Allegorie der guten Regierung. In der Mitte des Bildes steht ein hoher Thron, auf dem Respublica mit der in ihrem Schoß schlafenden Pax, die in der Hand einen Ölzweig hält, sitzt. Über ihnen befindet sich eine Taube und die Inschrift »DA PACEM DNE IN DIEB9 NOSTRIS«. Darüber erscheint Gottvater mit Zepter und Reichsapfel in den Wolken. Dort schweben außerdem vier Posaune blasende Putten, von denen zwei an ihrem Instrument eine Fahne mit dem Stadtwappen Lüneburgs sowie des Fürstentums Lüneburg angebracht haben. Auf der rechten Seite des Thrones steht Justitia mit der Waage in der erhobenen linken Hand und dem Schwert in der rechten. Sie trägt ein zeitgenössisches Gewand und eine Krone. Hinter der Gestalt ist in einer offenen Arkade eine Ratssitzung unter einer Darstellung eines »Jüngsten Gerichts«, dem Lüneburger Stadtwappen sowie der Luna-Statue zu sehen. Offensichtlich wird mit dieser Szene auf die Abhaltung des Niedergerichts an der nordwestlichen Ecke der Ostfassade des Rathauses Bezug genommen. Gegenüber der Justitia, an der linken Seite der Respublica, befindet sich die Gestalt der Concordia, die mit einem antiken Gewand bekleidet ist und vor einem Bienenkorb steht. Sie trägt in der rechten Hand ein hölzernes Gefäß. Hinter ihr erblickt man in dem Erker eines Gebäudes vier männliche Gestalten. Zu diesen blickt eine Menge schwarzgekleideter Bürger empor. Diese Darstellung wird durch einen Bibelspruch aus dem Psalter erläutert: »Ah das ich hören solt das Gott der HERR redet das er Friede zusagte seinem Volck das in unserm Lande Ehre wone. Das Gute und Trewe einander begegnen Gerech=/tigkeit und Friede sich küssen. Das Trew auff der Erden wachse und Gerechtigkeit vom Himel schauwe. Das was auch der HERR gutes thue Damit unser/Land sein gewechs gebe. Das Gerechtigkeit dennoch für im bleibe Und im Schwung gehe. Psalm. LXXXV.« ...

Im Unterschied dazu nehmen in dem Gemälde Daniel Freses in der Großen Ratsstube Respublica und Pax das Zentrum des Bildes ein. Die im Schoß der Respublica schlafende Pax symbolisiert das zentrale Anliegen einer guten Regierung: Die Sicherung und Erhaltung des Friedens, die seit der Antike als wichtigste Aufgabe des Staates galt. Nach Cicero, der den Frieden als Voraussetzung für die Gerechtigkeit eines Staates betrachtet, spricht auch Augustin in seinem Werk »De Civitate Dei« von dem Frieden als dem »summum bonum«. Diesen Frieden erlange ein Christ allerdings erst im Jenseits, nachdem er sich durch alle Nöte des Erdenlebens hindurch bewährt habe. Einen Teil dieses Friedens könne der Mensch jedoch auf der Erde, in der »civitas terena« erreichen. Demzufolge bestand für Augustin die oberste Aufgabe des irdischen Staates in der Friedenssicherung. An die Stelle der Macht setzte er den Frieden als Staatszweck. Die große Bedeutung des Friedens für einen Regenten wird auch im 16. Jahrhundert besonders hervorgehoben, wie etwa in Georg Lauterbecks »Regentenbuch«, in welchem der Autor den Frieden im zweiten Buch behandelt. Der auf dem Gemälde durch die schlafende Allegorie der Pax dargestellte Aspekt des Friedens wird zusätzlich durch den Satz »DA PACEM DOMINE IN DIEBUS NOSTRIS«, der über den Allegorien zu lesen ist, bekräftigt. Die Bildunterschrift aus dem Psalter (85,9-14) stellt die Beziehung der Pax zu der rechts neben ihr stehenden Justitia her. In ihr kommt die Lehre von der Bindung des Friedens an die Gerechtigkeit deutlich zum Ausdruck. In der christlichen Auslegung des Psalms durch Augustin wird die Gerechtigkeit als Voraussetzung für den Frieden besonders betont. Die Verbindung zwischen der Gerechtigkeit und der Respublica wird in dem Rechtsbuch Justinus Goblers, dem »Spiegel der Rechten«, erläutert: »Dieweil dan die beide/Regierung unnd Gerechtigkeyt/beieinander seindt/und von einander nicht abgesondert werden sollen/Auch die Regierung on die Gerechtigeyt nit bestehen/f.. .].« Die Gerechtigkeit bildet demzufolge die Voraussetzung sowohl für den Frieden als auch für die Existenz einer Regierung. Als höchste aller Tugenden836 steht sie in königlichem Gewand für die städtische Rechtsprechung. Hinter ihr ist der Lüneburger Rat während einer seiner Sitzungen in einer offenen Arkadenhalle – vermutlich dem Niedergericht an der Ostfassade des Rathauses – unter einem »Jüngsten Gericht« dargestellt, um seiner Aufgabe, der Friedenssicherung einerseits und der Wahrung von Recht und Gerechtigkeit andererseits, nachzukommen.

Ebenso wie Pax und Justitia war die auf der anderen Seite der Respublica und Pax sich befindende Concordia bereits in der Antike mit dem Frieden eines Staates in Verbindung gebracht worden. So bedeutete für Cicero der Friede die aus der Einsicht in das Vernünftige und Nützliche geborene Eintracht (concordia). In seiner Schrift »De re publica« betont er, das es nichts Unveränderlicheres, nichts Festeres als ein Volk gäbe, daß einträchtig sei und alles aus seiner Unversehrtheit und seiner Freiheit beziehe. Augustin sieht den Frieden unter Menschen im Zusammenhang mit der geordneten Eintracht untereinander und den Frieden des Staates in der geordneten Eintracht der Bürger durch das wechselseitige Befehlen und Gehorchen. In diesem Sinne ist hinter der Concordia die Lüneburger Bürgerschaft während einer Bursprake abgebildet. Daß die Bürger als Untertanen ihrer Obrigkeit zu Gehorsam verpflichtet seien, betonte Martin Luther 1523 in seiner Schrift: »Von weltlicher Obrigkeit und wie man ihr Gehorsam schuldig sei«. Durch ihre Attribute, das hölzerne Gefäß (wohl ein Kornmaß) und der Bienenkorb, symbolisiert die Concordia, daß sie einer guten Regierung und ihren Untertanen zu Wohlstand verhilft. Dieser Gedanke ist deutlicher aus dem von Daniel Frese als Motivvorlage benutzten Holzschnitt ablesbar, auf dem Concordia ein Geldbeutel beigegeben ist, der gleichzeitig einen Bienenkorb darstellt. Der Gedanke, daß die Concordia zu besserem Einkommen verhelfe, findet sich ebenfalls in dem »Spiegel der Rechten« des Justinus Goblen »[...] einigkeyt zwischen den einwohnern/damit zu besserer narung [..,].« Die von Antje Schmitt geäußerte Vermutung, es habe sich bei der von Daniel Frese benutzten graphischen Vorlage möglicherweise um ein »emblem for peace within the Protestant environment« gehandelt, dessen ikonographisches Schema durch »changing the back drop and renewing some of the actors« der jeweiligen Betonung einer Darstellung angepaßt werden konnte, könnte das gleichzeitige Auftreten dieses Motivs auf zwei Lüneburger Kaminfriesen erklären.

Deutlicher als auf den übrigen Gemälden stellt sich die Lüneburger Obrigkeit in der Allegorie des guten Regiments in ihren zwei für den Frieden der Stadt notwendigen Bereichen dar. Während einerseits die Rechtsspflege durch die Justitia und die Ratsversammlung verkörpert wird, stellen die Tugendallegorie der Concordia und die Abhaltung der Bursprake die Eintracht zwischen der städtischen Obrigkeit und den Bürgern dar. Der Bezug zu der Stadt Lüneburg wird dabei einerseits durch die Stadtansicht im Hintergrund hergestellt, andererseits durch die Darstellung der Orte, an denen diese städtischen Rechtsbelange stattfinden, die jeder Betrachter sicherlich auf den ersten Blick erkannt haben wird. Diese beiden zusammenhängenden Belange sind zudem im Rahmen der Aufgaben einer weltlichen Obrigkeit nach Martin Luther zu verstehen. Dieser sah sowohl die Friedenssicherung als zentrales Anliegen einer weltlichen Obrigkeit an als auch deren gerechte Rechtsprechung und deren Bemühen um die Eintracht der Bürger. Der protestantischen Gesinnung des Rates gemäß ist auch auf diesem Bild Gottvater in den Wolken dargestellt, der oberhalb der Taube des Heiligen Geistes angeordnet auf die vier Tugendallegorien hinunterblickt, die gemeinsam das gute Regiment bilden.


Dagmar Schmidt – Über die Gute und die Schlechte Regierung

Vor uns erhebt sich das Kernstück der politischen Allegorie Lorenzettis. Auf einem Podium thront in fürstlicher Pose ein Regent, der durch seine Körpergrösse alles, was ihn umgibt, überragt. Er ist edel gekleidet in Schwarz und Weiss – den Farben der Kommune von Siena. Goldbordüren säumen sein Gewand. Sein Haar, das schon ergraut ist, fällt in weichen Wellen über die Schultern. Eine rote Mütze mit Fellbesatz und goldener Kuppe ziert das fürstliche Haupt Ein gelockter Vollbart verleiht seinem Antlitz Ernsthaftigkeit und unterstreicht die Würde, die seine Person umgibt. Rund um sein Haupt zieht sich der Schriftzug der Majuskeln C. S. C. V.1. Es ist die Abkürzung für Comune Senarum Civitatis Virginis – die Kommune von Siena, der Stadt der Jungfrau. Aus der rechten Hand des alten Regenten ragt ein goldenes Zepter empor, seine Linke hält einen ebenfalls goldenen, runden Schild, auf dem die Konturen der Madonna mit dem Kind und zwei Engeln zu erkennen sind. Den Rand des Schildes entlang liest man eine Inschrift, aus der hervorgeht, dass das Motiv auf dem Schild dem Siegel von Siena entspricht: Salvet Virgo Senam Veteram Quam Signat Amenam – "Die Jungfrau möge Siena bewahren, das sie als Altes und Liebliches segnet." Die Füsse des Regenten ruhen auf einer Wölfin. Sie hat sich vor den Thron auf einen Vorsprung des Podiums hingelegt. Liebkosend beugt sie sich über zwei Zwillingsknaben, die gierig an den Zitzen ihrer Brust saugen.



Um sich hat der Regent Ratgeberinnen versammelt. Fünf junge und eine ältere Dame haben sich zu ihm auf die Thronbank gesellt, die mit kostbarem Tuch überzogen ist. Auf jeder Seite sitzen drei von ihnen. Inschriften in goldenen Lettern identifizieren die Frauen als Tugenden. Ganz links sitzt die Pax – der Friede, neben ihr die Fortitudo – die Stärke, und gleich neben dem Regenten die schon etwas ältere Prudentia – die Klugheit. Rechts von ihm sitzen die Magnanimitas – die Grossgesinntheit, die Temperantia – die Mässigkeit, aussen die Justitia – die Gerechtigkeit.

Die junge blonde Pax ist lässig entspannt. Sie hat ihre Rüstung ausgezogen, nur ein durchscheinendes Untergewand umspielt die sanften Züge ihrer weiblichen Figur. Der ausgediente Waffenrock ruht unter einem seidenen Kissen, auf das sie sich behaglich zurückgelehnt hat. Helm und Schild sind zu Boden geworfen, ihre blossen Füsse stellt sie darauf ab. Ein Olivenkranz krönt ihr goldenes Haar und untermalt feierlich ihr hübsches Gesicht. In ihrer Hand hält sie einen frischen Zweig desselben Baumes.

Die Fortitudo rechts neben ihr blickt hingegen ernst und ist schwer bewaffnet. Über ihren roten Rock hat sie sich ein dunkles, bronze schimmerndes Kleid gestreift, das weit über das Knie hinabfällt. Ein Brustharnisch bedeckt ihren Oberkörper. Sie ist mit einem schweren Schild sowie einem schwarzen Schlagstock ausgerüstet, den sie in ihrer rechten Faust umschliesst. Auf ihrem Kopf sitzt ein Helm, der mit Diamanten besetzt und mit einer Strahlenkrone verziert ist.

Ihre Nachbarin, die Prudentia, ist in ein blaues, brokatbesticktes Kleid gehüllt. Auf ihrem Kopf trägt sie eine goldene, reich geschmückte Krone. Sie hat ihr Haar mit einem weissen Tuch bedeckt, das sie sich um Kopf und Schultern geschlungen hat – ein Zeichen ihrer Reife. In der Hand hält sie eine Öllampe mit drei hellen Flammen. Die Lichtquelle beleuchtet drei Wörter, die auf einen Fächer gemalt sind, der in ihrem Schoss ruht: "Praeteritum Praesens Futurum" – "Vergangenheit Gegenwart Zukunftïst zu entziffern. Prudentia macht uns mit ihrem Zeigefinger auf diese Botschaft aufmerksam.

Wie Prudentia tragen auch die drei Damen rechts vom Regenten königliche Gewänder. Ihre bunten, eher schlicht geschnittenen, langen Kleider sind mit edlen Bordüren verziert. Offene Umhänge oder Mäntel betonen ihre herrschaftliche Aus- stattung. Goldene, mit Edelsteinen besetzte Kronen zieren ihr blondes, fein frisiertes Haar.

Gleich rechts vom Regenten sehen wir die Magnanimitas. In der einen Hand hält sie eine Krone. Mit der anderen greift sie in eine Schale, die in ihrem Schoss ruht und reichlich gefüllt ist mit goldenen Münzen.

Daneben sitzt die Temperantia. Sie zeigt auf eine Sanduhr, die sie auf ihre rechte Handfläche gestellt hat. Der Sand ist im Augenblick zur Hälfte in das untere Glasgefäss gerieselt.

Rechts aussen sitzt die Justitia. Streng und ernsthaft hält sie das Schwert aufrecht. Der abgeschlagene Kopf eines bärtigen Mannes liegt unterhalb des Griffes auf ihrem Knie, während sie in ihrer anderen Hand eine Krone hält.



Über dem Haupt des ehrwürdigen Regenten schweben geisterhaft drei himmlische Wesen: die Fides – der Glaube, die Caritas – die Liebe, die Spes – die Hoffnung. Gefiederte Flügel zeugen von der göttlichen Abstammung der drei schwerelosen Frauen. Alle drei tragen Kronen auf ihrem Kopf.

Zuoberst schwebt die Caritas. Sie gleicht dem Feuer. Ihr Körper glüht. Orangefarben leuchtet ihr wehendes Haar. Die Silhouette ihres nackten Oberkörpers zeichnet sich deutlich durch den hauchzarten Schleier ab, den sie, über ihre Brust geworfen, nach hinten wegflattern lässt. Ein Pfeil ragt aus ihrer rechten Hand, in ihrer linken trägt sie ein rotes, brennendes Herz.

Links unter ihr erscheint die Fides. Verschleiert und ganz in weiss, drückt sie inbrünstig das Kreuz Christi an ihr Herz. Das Kleid und die Flügel der lieblichen Spes sind in zartes Rosa getaucht. Sie hat ihre Hände zum Gebet erhoben und den Blick nach oben gerichtet; denn Jesus Christus schaut durch eine Öffnung des Himmels auf sie herab.



Auf derselben Höhe, weiter links, fällt der Blick auf ein anderes göttliches Wesen: Mit goldenen Flügeln, Krone und goldenem Kleid schwebt die Sapientia – die Weisheit. Dass sie nicht mehr ganz jung ist, verrät uns der zarte Gesichtsschleier, der ihr Kinn verhüllt. In ihrer Hand trägt sie ein rotes, schweres Buch, das sie an ihren Körper presst.

Die Sapientia gehört zu einer Figurengruppe links von der Thronbank des Regenten. Unter ihr hat in rot-goldenem Gewand eine Dame auf ihrem eigenen, reich dekorierten Thron Platz genommen, der auf der Verlängerung des Podiums steht. Auch diese Dame trägt eine Krone in ihrem blonden Haar. Sie ist etwas kleiner als der Regent, doch grösser als dessen Ratgeberinnen. Ein Vers, dem Buch der Weisheit Salomos entnommen, umrahmt ihre Figur und kennzeichnet sie als weitere Justitia – eine weitere Gerechtigkeit: Diligite Iustitiam qui iudicatis terram – "Liebt die Gerechtigkeit, ihr, die ihr die Welt regiert". Ihren Kopf hat sie nach hinten geneigt und blickt hoch zur Sapientia: Diese hält den Griff ihrer Balkenwaage in der Hand. Links und rechts von der Figur der Justitia hängen an roten Seilen die beiden Schalen der Waage herunter. Sie werden von der Justitia mit den Daumen im Gleichgewicht gehalten.

Justitia handelt mit Hilfe von zwei weiblichen, goldblonden Engeln, die auf den Waagschalen sitzen.

Auf der linken Schale kniet ein Engel, der ein rotes Kleid trägt. Zwei Männer haben sich vor ihm niedergekniet. Den einen krönt er, während er den anderen köpft. Blut fliesst aus dem Genick des Mannes, der seinen Kopf verliert. Neben ihm liegen Waffen auf dem Boden. Derjenige, der vom Engel gekrönt wird, hat einen Palmwedel in der Hand. Diese kleine Szene ist mit Distributiva angeschrieben. Auf der anderen Schale kniet ein Engel in weissem Kleid. Über seinen Schauplatz zieht sich der Schriftzug Comutativa. Zwei Männer sind vor ihm in die Knie gesunken und scheinen ihm etwas anzubieten. Der eine streckt ihm einen Topf entgegen, in den der Engel hineingreift. Der andere erweckt den Eindruck, als übergebe er seine Waffen. Der Mann reicht dem Engel gerade eine Lanze, die er zusammen mit einem Speer in den Händen hält.



Von den beiden Engeln löst sich jeweils ein Band, ein rotes und ein weisses, entsprechend den Farben ihres Gewandes. Die Bänder fallen über die Waagschalen ins Leere hinab, um weiter unten in der Hand einer jungen Frau zu einer rot-weissen Kordel vereint zu werden. Die junge Frau sitzt unmittelbar unterhalb der Justitia auf einem hölzernen Lehnstuhl, der vor dem Podium auf der Erde steht. Ihr Name ist Concordia – Eintracht. In goldenen Lettern wurde der Name auf einen Hobel gemalt, den sie auf ihre Knie gelegt hat. Concordia ist gleich gross wie die Beraterinnen des Regenten. Sie trägt jedoch weder eine Krone, noch eine andere Kopfbedeckung. Nur ein goldener Haarreif ziert ihr anmutiges Gesicht. Das weisse, einfach geschnittene Kleid ist mit Goldstickereien geschmückt.

Ihr sanfter Blick ruht auf einer Reihe von vierundzwanzig Männern, die mit ernsthafter Miene paarweise von links nach rechts zum Regenten hin schreiten. Concordia überreicht dem hintersten die Kordel, der sie an seine Gefährten weitergibt. Alle Männer halten sich mit einer Hand an der Kordel fest: Die Männer, die links in der Kolonne laufen, mit ihrer rechten Hand, die Männer, die rechts laufen, mit ihrer linken. Die Kordel verläuft so durch die Mitte der zwölf Paare. Vor dem Vorsprung des Podiums, auf dem die Wölfin mit den Zwillingen liegt, bleibt der Zug der Männer stehen. Die ersten zwei Paare blicken der Kordel nach hoch zum Regenten, um dessen Handgelenk ihr Ende geknüpft ist.



Von der Ferne betrachtet, bilden die vierundzwanzig Männer eine Einheit. Im Gleichschritt schreiten sie feierlich voran; die meisten haben uns ihr Profil zugewandt. Sie sind fast alle gleich gross. Sie tragen ungegürtete, einfarbige Kleider, die parallel über ihre Körper hinabfallen. Auf ihrem Kopf sitzt jeweils eine Stoffmütze.

Tritt man näher heran und verharrt eine Weile bei diesen Männern, dann erkennt man viele Details, die das Gleichförmige auflockern. Als ob der Maler diese Männer im wirklichen Leben gekannt hätte, hat er jedem eigene, charakteristische Züge ver- liehen. Sie haben grosse oder kleine Nasen, eine hohe Stirn oder ein rundes Gesicht. Manche Männer sind dicker, andere schlanker, manchen ist das Haar schon ergraut und andere wiederum zeigen sich noch in jugendlicher Frische.

Es scheint, das alle dieselben bis zu den Knöcheln reichenden Kleider und die dazugehörenden Schlappmützen tragen, wie es der damaligen Mode in der Stadt entsprach. Doch die vordere Hälfte der Männer ist edler gekleidet als die hintere. Die ersten vier Männer sind am würdevollsten ausgestattet. Sie sind die einzigen, die Handschuhe tragen. Die zwei Männer ganz vorne tragen auf ihrem Leib dunkle, schwere und wertvolle Stoffe. Über dem unteren Rock hängt ein fester, ärmelloser Überwurf mit gestärktem Stehkragen, der ihren Hals gänzlich bedeckt. Die beiden sind im gleichen Stil gekleidet, aber in den Farben unterscheiden sich ihre Gewänder. Während die rechte Figur vollständig in Saphirblau gekleidet ist, trägt die linke über ihren schwarzen Rock einen purpurnen Überwurf. Beide haben auf dem Kopf Mützen mit Pelzrand; die rechte eine schwarze und die linke eine rote. Beim Paar dahinter trägt der rechte Mann eine schwarze Robe mit pelzbesetztem Schulterkranz, der linke ein rotes Kleid mit steifem Kragen. Auch ihre Mützen sind mit Pelzrändern geschmückt. Die vier machen in ihrer aufwendigen Tracht den Eindruck von Berufsmagistraten. Sie scheinen auch mit der ritterlichen Würde ausgezeichnet zu sein. Die zwei hinter den ersten vier Männern sind in ein Gespräch vertieft. Sie tragen ebenfalls eine pelzbesetzte Mütze und dazu ein einfacheres rotes Kleid. Das rote Gewand mit fellbesetzter Mütze war vor allem die Tracht der Juristen sowie der Universitätsprofessoren. Hinter diesen zwei Gelehrten folgt ein eher jüngeres Paar, das durch seine kurzen, in sich gemusterten Röcke aus der Reihe sticht. Sie haben sich nach der neuesten Mode, die vom Hof von Neapel kommt, gekleidet. Ein Einstecktuch hängt verspielt aus ihrer Tasche, Seidenstrümpfe bedecken die Beine. Anstelle der glatten Rasur trägt einer von ihnen einen kurz gestutzten Kinnbart. Die beiden gehören wahrscheinlich zur reichen Oberschicht, die sich am höfischen Leben orientiert. Dahinter schreiten zwei Paare, welche sich von den folgenden sechs nicht gross unter- scheiden. Weil aber ihr Gewand aus fülligerem Stoff ist und auch ihre Mützen aufwendiger mit feinem Tuch drapiert sind, erwecken sie den Eindruck, wohlhabender zu sein als jene verbliebenen zwölf Stadtleute, die hinter ihnen folgen und wie Stadtbürger aus der Mittelschicht gekleidet sind.

Spiegelbildlich zur Reihe der Bürger sind zwei Ritter mit ihrer schweren Rüstung zu sehen. Sie knien vor dem Podest der Wölfin und blicken zum Regenten hoch. Den Helm haben sie weggelegt. Ihr rötlich blondes Haar fällt wellig auf ihre Schultern. Auch sie tragen beide einen gepflegten, fein gestutzten Bart. Auf Knien bieten sie dem Regenten ehrfurchtsvoll ihre Burgen an.



Die Thronbank des Regenten wird von Soldaten bewacht. Sie haben sich vor dem Podium aufgereiht. Einige sind hoch zu Ross und tragen schwere Rüstungen. Andere sind Fusssoldaten. Eine Gruppe von ihnen trägt eine leichte, helle Uniform und einen spitzen Helm. Lanzenartige lange Stäbe dienen ihnen als Waffen. Eine andere zahlreiche Gruppe ist mit Helm, Schild und Speer ausgerüstet. Auf der Vorderseite der Schilder ist ein rotes Wappen gemalt mit dem Motiv eines weissen, sich aufbäumenden Löwen. Es ist das Wappen der Stadtmiliz von Siena.



Rechts aussen, in erster Reihe vor den Soldaten stehen Sträflinge, die von einem Strick zusammengehalten werden. Unter ihnen sehen wir einen einfachen Mann mit gedrungenem Körperbau und struppigem Haar. Sein ausgefranstes Hemd hängt offen über seinen dicken Wanst und macht den Blick auf seinen Lendenschurz frei. Zu- sammengehalten wird das Hemd nur vom Sträflingsseil, das sich in seinen fettleibigen Bauch geschnürt hat. Seine Beinkleider sind zerrissen, seine nackten Füsse stecken in Ledersandalen. Die vier restlichen Männer, mit denen er dasselbe Los teilt, sind sehr gut gebaut. Das Sträflingsseil schlingt sich um ihre schlanke Taille. Die feingewobene Unterwäsche, die das einzige ist, was sie noch am Leib tragen, lässt die durch- trainierten Muskeln erahnen. Ihre edlen Gesichter werden von einem gepflegten, spitzig zugeschnittenen Bart umrahmt. Diese Männer scheinen Vertreter jener reichen Oberschicht zu sein, die dem höfischen und ritterlichem Leben nachgeht. Drei von ihnen wurde eine Haube übergestreift: Es ist das Zeichen dafür, dass sie ein Kapitalverbrechen begangen haben.

Zwischen den Sträflingen, der Stadtmiliz und den Soldaten zu Ross drängt sich eine Ansammlung von Männern. Sie sind teils ärmlich gekleidet, haben gröbere Gesichtszüge und sind unrasiert. Andere tragen, der städtischen Mode folgend, lange Gewänder und Schlappmütze, sind jedoch weniger gepflegt als die Reihe der Bürger auf der linken Seite des Podests. Der vorderste dieser Gruppe von Männern, die sich auf der rechten Seite des Podests befindet, bietet der Sieneser Kommune den Schlüssel eines Stadttores an. Es scheint sich also um Vertreter einer ländlichen Kommune zu handeln, die sich der Stadt Siena unterwerfen. ...

Unterhalb des Bildes, in der Gegend der Justitia mit den Waagschalen, entdecken wir ein rechteckiges Schild, das einen Text enthält, der die Allegorie der guten Regierung kommentiert:

Wo diese heilige Tugend [Gerechtigkeit] regiert, führt sie die vielen Seelen zur Einheit,
und diese, so vereint,
setzen das Gemeinwohl als ihren Herrn ein.
Dieser, um seinen Staat zu regieren, entscheidet sich, niemals die Augen abzuwenden
vom Glanz der Antlitze
der Tugenden, die ihn umgeben.
Deshalb werden ihm im Triumph
Steuern, Abgaben und Landherrschaften überreicht. Deshalb, ohne Krieg,
tritt jegliche bürgerliche Wirkung ein,
nützlich, nötig und freudig.

...

Rechts residiert der Hof des schlechten Regiments. Da für die Darstellung der Allegorie der schlechten Regierung sowie deren Auswirkung auf Stadt und Land nur noch eine Längswand übrig blieb, hat Lorenzetti den Regierungssitz in das Leben der Stadt integriert: Das Podium, auf dem sich die Thronbank des Regenten befindet, steht innerhalb der Stadtmauer. Doch an die Stelle des ehrwürdigen Regenten ist ein satanischer Herrscher getreten. Mit gezücktem Dolch, am Leib den Waffenrock, sitzt er kriegslüstern auf seinem Thron. Sein Aussehen ist grässlich: Auf beiden Augen schielt er, sein Gesicht ist grausam verzerrt, wie bei einem Wildschwein ragen zwei Hauer aus seinem Unterkiefer und auf dem Kopf sind ihm zwei spitze Teufelshörner gewachsen. Sein langes, pechschwarzes Haar hat er sich in Zöpfen um das Haupt gelegt. Über seine Rüstung fällt von den Schultern eine lange scharlachrote Schleppe, die mit Gold bestickt und mit Pelz gefüttert ist und deren samtener Stoff in Falten auf das Podium fällt. In der linken Hand hält er eine goldene, hochstielige Schale. Seinen Fuss, der sich beim näheren Hinschauen als Kralle entpuppt, hat er auf einen Ziegenbock gestellt. Das Tier hat es sich auf dem Podium bequem gemacht und schaut treu zu seinem Besitzer hoch. Hinter dem Hals des furchterregenden Regenten zieht sich eine erklärende Inschrift: Tyramnides – die Gewaltherrschaften.

Der Tyrann hat ebenfalls Ratgeber versammelt. Doch es sind zwielichtige Wesen, mit denen er sich umgibt. Sie weisen teils menschliche, teils tierische Züge auf.

Inschriften kennzeichnen sie als Laster. Auf der linken Seite, von links nach rechts, sitzen Crudelitas – die Grausamkeit, Proditio – der Verrat, und Fraus – der Betrug. Rechts besteht seine Gefolgschaft aus Furor – der Aufruhr, Divisio – die Zwietracht, und Guerra – der Krieg.

/Crudelita/s ist eine alte Frau. Ihr langes, graumeliertes Haar fällt lose und ungekämmt auf ihre Schultern hinab. Mit ihrer rechten Hand hat sie einen Säugling gepackt, den sie in die Luft streckt. Hilflos zappelt er in der Leere und schlägt heftig mit seinen kleinen Beinchen und Ärmchen um sich. Er schreit erbärmlich vor Angst, denn es nähert sich ihm eine Schlange. Wie hypnotisiert, mit weit aufgerissenen Augen, starrt er auf das Schreckensbild. Die Schlange befindet sich in der Hand der Crudelitas, die sich des grausamen Spiels erfreut.

Neben ihr sitzt ein Mann, Proditio. Er ist in der Art eines guten Stadtbürgers gekleidet und trägt das übliche weite Gewand mit der dazu passenden Stoffmütze. Alles ist aus feinem Tuch gewebt. In seinem Schoss hat er ein süsses Lämmchen – doch der Schein trügt; denn wo sich gewöhnlich der wollene Hinterteil befindet, krümmt sich der giftige Stachel des Skorpions.

Fraus ist ein komisches Wesen. Mit dem langen blonden Zopf ähnelt es einer Frau, doch die Gesichtszüge sind recht grob und hart und eher männlich. Bartkotletten scheinen schon gar nicht zu einer Frau zu passen. Fraus ist weder Frau noch Mann. Dieses Wesen gehört nicht der Menschenrasse an, sondern ist eine Kreuzung zwischen Mensch und Tier. Das Bestialische sollte unter dem wallenden Gewand verborgen bleiben. Am Rockzipfel aber offenbart es sich mit Krallenfüssen und anstatt der menschlichen Hand schaut ein brauner, pelziger Huf aus dem Armloch. Am Rücken verraten Fledermausflügel die höllische Herkunft. Mit seinem gespreizten Huf hält das Wesen einen goldenen Stab, während es den Blick auf den Tyrannen richtet.

Gleich rechts neben dem Tyrannen erblickt man ein anderes dämonenhaftes Phantasiegeschöpf: Furor. Es ist mehr Tier als Mensch. Sein Körper ist mit braunem Fell bewachsen. Es sitzt nicht auf der Bank, sondern steht mit allen vier Beinen darauf. Der Unterleib ähnelt dem eines Pferdes. An den Vorderbeinen, von denen eines steif ist, hat es Hufe, hinten aber wie ein Wolf zwei Pfoten. Anstelle des bauschigen Schwanzes rollt sich ein spitzer Stachel. Der Oberkörper mit zwei Armen ist mensch- lich und wächst senkrecht, wie beim Zentaur, aus dem Pferdeleib empor. Der Kopf stammt weder vom Menschen, noch vom Pferd, sondern vom Wildschwein. Das Biest hat sich bewaffnet: Mit einem kurzen Dolch und einem Stein zum Schleudern.

Divisio ist eine junge Dame mit langem blondem Haar, das sie offen trägt. Ihr einfaches Kleid, das lose an ihrem Körper herunterhängt, ist zweifarbig. Die eine Hälfte ist weiss, die andere schwarz. Auf der weissen Seite ist das Wort Si appliziert, auf der schwarzen No. Divisio sägt gerade an einem Holzstück, das sie sich auf die Knie gelegt hat.

Guerra, ebenfalls eine junge Dame, sitzt rechts neben ihr. Ausgerüstet mit Helm, Schwert und rundem Schild ist sie bereit zum Kampf. Sie hat schon zum Streich ausgeholt. Den Schild, auf dem ihr Name prangt, hat sie in Erwartung des Gegenschlags hochgezogen.

Zu der gewalttätigen und niederträchtigen Gesellschaft an den Seiten des Tyrannen stossen drei geflügelte Wesen. Sie schweben über dem Haupt des teuflischen Herrschers - gleich den drei Engeln über dem Haupt des ehrwürdigen Regenten. Doch diesmal sind die drei schwebenden Damen nicht göttlicher, sondern satanischer Abkunft: Mit Fledermausflügeln gleiten sie durch die Luft.

Über allen fliegt Superbia – der Hochmut. Sie ist eine junge Frau mit blondem, fein frisiertem Haar. Auf ihrem Kopf sitzen zwei gebogene Hörner. Zu ihrem purpurroten, prächtigen Kleid gehört eine Schleppe, die reichlich mit Gold bestickt ist. Sanft wellt sich der schwere Stoff im Lufthauch des Flügelschlags. Haltung und Blick der Superbia sind stolz. Mit geschwellter Brust fasst sie ihr Schwert am Griff, das sie sich um die Hüfte geschnallt hat. An einem Seil, das sie in der anderen Hand hält, baumelt ein Joch.

Links von ihr schwebt die Avaritia – der Geiz. Sie ist ein greises Weib. Aufgrund der kärglichen Nahrung, die sie sich bloss zugesteht, sind ihre Wangen tief eingefallen. Der Stoff ihres Kleides ist so dünn, dass ihre hängenden Brüste durchschimmern. Sie trägt eine aschgraue Kutte mit Kapuze. Die Kapuze ist nicht hochgezogen, sondern fällt locker über die Schultern hinab. Auf dem Kopf sitzt eine gelblichweisse Kappe, in die die Alte ihr spärliches Haar unsorgfältig hineingesteckt hat. Aus ihrer knöchernen Hand ragt eine lange, vorne gebogene Hacke. Mit spitzen, eher raubvogel- als menschenähnlichen Fingernägeln, krallt sie sich an eine handliche Presse, die sie sich um die Schultern gehängt hat und durch die sie zwei Geldbeutel quetscht.

Die dritte im Bunde der dämonischen Frauen, die das Haupt des Tyrannen krönen, ist Vanagloria – die Eitelkeit oder der eitle Ruhm. Die junge Vanagloria ist eine sehr feine Dame. Sie reist in einem goldenen Wagen. Ihr rotes Kleid, das sie trägt, ist prachtvoll und so raffiniert geschnitten, wie sonst keines das wir bis anhin gesehen haben. Überall ist es mit Goldbordüren gesäumt, und Edelsteine zieren die Nähte und Armpartien. Unterhalb der Brust ist es geschlitzt und die spitz zulaufenden Enden fallen wie eine Jacke über ein rotes Gewand, das sie darunter trägt. Das brunette Haar der Vanagloria ist aufwendig frisiert und wird von einem goldenen, mit Rubinen und Smaragden besetzten Reif geschmückt. Selbstverliebt betrachtet sie sich in ihrem goldenen Taschenspiegel und ist so tief in den Anblick ihrer Schönheit versunken, dass sie vergisst, auf das Schilfrohr zu achten, das, leise vor sich hinwelkend, in ihrer linken Hand schon ganz grau geworden ist.

Zu Füssen des Tyrannen, auf der blossen Erde, erblicken wir eine uns schon bekannte Dame. Es ist Justitia, die wir am Hof des ehrwürdigen Regenten angetroffen haben. Dort sass sie, umgeben von ihrer Waage, einer Königin gleich auf ihrem eigenen Thron. Hier indessen bietet sie einen jämmerlichen Anblick. Vom Thron gestossen, gefesselt und ihrer Kleider bis aufs Unterhemd beraubt, liegt die Arme mit aufgelöstem Haar vor dem Podium. Nicht nur die Hände sind ihr gefesselt, auch die Beine sind von einem Tuch umwickelt, so dass sie ihre Glieder nicht mehr bewegen kann. Die Stirn hat sie in Falten gezogen; ihr Blick ist sorgenvoll. Ihre Waage ist zerbrochen: Links und rechts neben ihr liegen die zu Boden gefallenen Schalen. Die roten Seile, an denen sie früher hingen, winden sich unnütz auf der Erde. Ein Mann, der zum Tyrannen hochschaut, hat so ein rotes Seil in der Hand. Seine andere Hand ist in der Schlinge einer schwarzen, schweren Eisenkette, mit der die Justitia gefangen gehalten wird. ...

Doch bevor wir dieses Bild der Zerstörung und des Verbrechens betrachten, lesen wir den Kommentar, der unterhalb der gefesselten Justitia steht:

"Wo die Gerechtigkeit gefesselt ist,
wird sich nie jemand auf das Gemeinwohl einigen, noch sich am Band des Rechts halten,
so dass die Tyrannia die Oberhand gewinnt.
Diese, um ihrer Schlechtigkeit zu genügen,
will niemals und wird niemals in Uneinstimmigkeit
mit dem schmutzigen Wesen
der Laster handeln, die hier mit ihr zusammen sind.
Sie verbannt jene, die bereit sind, Gutes zu tun
und umgibt sich mit all denen, die Schlechtes vorhaben.
Sie verteidigt immer
den, der nötigt oder raubt und all jene, die den Frieden hassen,
so dass ihr gesamtes Land verwüstet daliegt.


Volker Reinhardt – Über Siena

SIENA UND DIE «NEUN»

Bilder und Realität der Kommune

Fresken zur politischen Selbsterziehung

Der Palazzo Pubblico in Siena wurde um das Jahr 1300 erbaut. Auf drei Seiten des «Saals des Friedens» (auch «Saal der Neun»), in dem der Generalrat der Stadt tagte, hat Ambrogio Lorenzetti von 1338 bis 1340 die Allegorie der guten Regierung sowie ihre segensreichen Auswirkungen auf die Stadt und das von ihr abhängige Landgebiet gemalt. Auf der vierten Wand hingegen sieht man in einem einzigen Fresko ihr abschreckendes Gegenbild: die Tyrannei und ihr Wüten innerhalb wie außerhalb der Stadtmauern. Damit hat er Menschheitssehnsüchte und Menschheitsängste allgemeingültig dargestellt, wie Berühmtheit und Verbreitung der Bilder belegen. Eine Erklärung für ihre bis heute anhaltende Beliebtheit liegt in der fein säuberlichen Trennung von Gut und Böse, die dem moralischen Empfinden entgegenkommt. Darüber hinaus vermitteln sie die Zuversicht, dass der Mensch kraft seiner Vernunft auf der Grundlage umfassender Gerechtigkeit eine Lebensordnung schaffen kann, die allen die Chance bietet, sich in Frieden und Harmonie mit ihren Mitmenschen zu entfalten und zu verwirklichen. So sind Lorenzettis Fresken bis heute in vielen Schul- und Handbüchern zu sehen und erfüllen damit noch immer ihren Zweck, das Menschengeschlecht politisch zu erziehen. ...

Diese Kultur ist republikanisch, ihre finstere Gegenwelt hingegen despotisch, ... Die gute Regierung ist die Frucht guter Institutionen, wie der hierarchisch geordnete Aufmarsch der politischen Klasse am unteren Rand der «Allegorie der guten Regierung» zeigt. Wenn viele regieren, ist die Gefahr, dass sich ein Einzelner zum alleinigen Gewaltherrscher auf schwingt, geringer. Doch völlig gebannt ist diese Gefahr nie. Der Mensch ist des Menschen Aufseher und Sünden-Eindämmer, auch diese politische Klugheitslehre ist im Bild angelegt. Wenn es an prudentia, an misstrauischer Vorsicht, fehlt, hat ein Tyrann leichtes Spiel; dieser Meinung waren auch die Venezianer, wie ihr Umgang mit dem Dogen zeigte.

Der eigentliche Humus, auf dem die gute Politik gedeiht, aber sind moralische Qualitäten, die sich im irdischen Leben erst einmal ausbilden und bewähren müssen. Die bei Weitem wichtigste politische Tugend ist die Gerechtigkeit. Sie ist im Fresko doppelt präsent. Von ihr hängt alles andere ab, wie die italienischen Verse darunter betonen. Das Gemeinwohl, das sie hervorzubringen hilft, verkörpert die alle anderen Figuren überragende Männergestalt auf dem rechten Bildteil, der als Allegorie der Republik Siena kenntlich gemacht ist. Damit in der Republik das Gemeinwohl und nicht der Egoismus von Gruppen und Individuen herrscht, müssen weitere Tugenden zum Tragen kommen, die dem traditionellen Kanon der Kirche entnommen sind: weise Selbstbeschränkung, Standhaftigkeit, Großherzigkeit und Friedensliebe. Aus all diesen löblichen Gesinnungen entwickelt sich dann concordia, die Eintracht, die die Bürger im wahrsten Sinne des Wortes miteinander verbindet. Auf dem Bild reicht die Allegorie der politischen Solidarität eine Schnur an die Mitglieder der politischen Klasse weiter, die dadurch zu einer Einheit verschmelzen und diese Werte an die Verkörperung der Republik weitergeben. ...

Ein politisches Paradies kann selbst die gerechteste Republik nicht mehr werden, dem steht die Erbsünde mit ihren fatalen Folgen entgegen. Doch lässt sich in der besten, der republikanischen Ordnung das Böse weit zurückdrängen. Dies geschieht mit Hilfe des Himmels, der den Gerechten zur Seite steht, wie die Engel des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe über der Allegorie der Republik veranschaulichen. ...



In Stadt und Land gibt es eine Oberschicht, die von den ökonomischen Zwängen, Geld zu verdienen und Überlebensvorsorge zu treffen, freigestellt ist. Sie wohnt in den Palästen, die von hoch aufragenden Türmen mit Schießscharten geschützt sind. Die trutzigen Bauwerke sind ein weiteres Warnzeichen: Wenn die Bösen an die Macht gelangen, wird ein ewiger Krieg jeder gegen jeden toben.



Warnungen in Farben

Diese Selbstzerfleischung hat Lorenzetti im Fresko der schlechten Regierung gemalt, die sehr plakativ die Gegenwerte zur Republik der glücklichen Bürger veranschaulicht. Grausamkeit, Geiz, Hochmut, Eitelkeit, Verrat und was der menschlichen Abgründigkeiten mehr sind, erzeugen ein Klima des Hasses und des Misstrauens, dem alle Menschlichkeit zum Opfer fällt, wie die gefesselte Gerechtigkeit am unteren Bildrand zeigt. Hier regiert anstelle der concordia die divisio, der spalterische Eigennutz der Cliquen und Interessengruppen. Durch ihn wird der Mensch zum Wolf des Menschen, wie die Gewaltszenen in Stadt und Land verdeutlichen. ...

Bonum commune, Gemeinwohl über alles: Das war das Credo der italienischen Stadtrepublik. ... Doch auf die alles entscheidende Frage gibt weder die Fülle der Politikhandbücher noch Lorenzettis Freskenserie eine schlüssige Antwort: Wie, mit welchen politischen Mechanismen und Methoden, gelangte man zur Auswahl der Besten und verhinderte damit das Eindringen der divisio, des Spaltpilzes und seiner fatalen Folgen? ... In den martialischen Palästen hinter der Straßentanzgruppe wohnte eine nach Familien und um diese geknüpften Netzwerken sortierte Gesellschaft. Ihnen und nicht dem abstrakten Gemeinwohl galt die Solidarität der Bürger, die Bande der Partei verknüpften die einen zum Kampf gegen die anderen, spalteten also, statt zu vereinen. Doch wie sollten diese falschen Bande durchtrennt werden? Wer bei der Wahl für die politischen Führungsämter nicht seinem Schwager oder Geschäftspartner, sondern einem Konkurrenten oder gar politischen Gegner seine Stimme gab, weil er ihn für kompetenter hielt, musste seinen Egoismus, seine Selbstsucht und damit seine natürlichen Triebe niederringen. ... So blieb nur ein harter Schluss: In der real existierenden Republik erwiesen sich alle vollmundig verkündeten Ideale als nicht lebbar. Damit stellen sich auch Lorenzettis Fresken in einem anderen Licht dar: Mit ihnen wollte sich die sienesische Führungsschicht trotzdem in der mora­lischen Gewissheit wiegen, bei der rücksichtslosen Verfolgung ihrer Eigen­interessen dem Gemeinwohl zu dienen. ...

Die Republik: «unsere Sache»

An der Unauflöslichkeit dieses Gegensatzes ist die italienische Stadtrepublik zugrunde gegangen, und mit ihr - so schien es zumindest deren Lobrednern - ein erster Höhepunkt europäischer Staatsentwicklung. Nach zwei Jahrhunderten faktischer Unabhängigkeit von kirchlichen und feudalen Gewalten hatten Kommunen wie Siena eine Verwaltungs- und Behördenorganisation mit zahlreichen Posten und Postchen ausgebildet. ...

Legt man den in der Stadtrepublik des 13. und 14. Jahrhunderts erreichten Stand an «öffentlichem» Personal allein zugrunde, so war damit eine Entwicklung der Bürokratisierung vollzogen, wie sie damals nur von der Kurie erreicht, auf staatlicher Seite aber erst mit der Französischen Revolu­tion ein halbes Jahrtausend später übertroffen wurde. Doch dieser Ver­gleich führt in die Irre, weil die Politik der italienischen Stadtrepubliken nicht auf die Stärkung der Staatsgewalt um ihrer selbst willen ausgerichtet war, sondern auf innere Stabilisierung durch Ausbildung tragfähiger Interessengruppen abzielte, wie Machiavelli zu Beginn des 16. Jahrhunderts mit luzider Feindseligkeit diagnostizierte: Die Gefolgsleute der herrschenden Familien mussten versorgt werden, vor allem mit Einkünften, doch auch mit dem Gefühl, dazuzugehören. Die meisten der zahllosen kleinen und kleinsten Ämter dienten daher der Befriedigung dieser Ansprüche und damit der politischen Ruhigstellung, nicht der Stärkung der Republik. Deren Autorität wurde durch die chaotische Aufsplitterung der Zuständigkeiten und die Überschneidung von Kompetenzen sogar geschwächt.

Der von Lorenzetti gemalte Gegensatz zwischen guter republikanischer und schlechter tyrannischer Regierung lebt in Italien bis in die Gegenwart fort. Überall dort, wo sich einst republikanische Herrschaftsverhältnisse ausgebildet hatten - ob diese später von Signorien abgelöst wurden oder nicht erweist sich die emotionale Bindung an die Stadt, an ihre Gemeinde, ihre Werte und ihr Wohlergehen, bis heute als lebendig. Das äußert sich im ausgeprägten Lokalpatriotismus und in der Bereitschaft, sich für das bonum comune zu engagieren. Die Kommune aber kam nur bis in die Toskana. Der Riss, der sich in der politischen Kultur Italiens zwischen Norden und Süden auftut, erklärt sich nicht zuletzt als das Ergebnis unterschiedlich verlaufener Geschichte.

Der in Farben ausgetragene Kampf um die kommunalen Werte war in Siena mit den Fresken der guten und schlechten Regierung nicht zu Ende. Zweihundert Jahre später ...


Hermann Hipp – Die Bildung der Lüneburger Patrizier

Wer die Erfinder der Programme, die Initiatoren der Ausstattungsschritte im einzelnen waren, wer sie im einzelnen beriet, bleibt immer noch und wird vermutlich immer offen bleiben; in der Rekonstruktion der Bildinhalte manifestiert sich ohne weiteres, dass für sie ein hoher Bildungsstand vorausgesetzt werden darf. Zu ihnen gehörten gewiss in erster Linie Mitglieder des Rates und die gelehrten Präzeptoren des Johanneums sowie die Geistlichen der Stadt.

Verantwortlich war gleichwohl der Rat als Körperschaft. Die Bildung, die dem Handeln der Lüneburger Patrizier und der Rathaus-Elite zugrunde lag, ist verhältnismäßig einfach zu beschreiben. Die Söhne der Patrizier besuchten regelhaft das Lüneburger Gymnasium, das Johanneum. Man weiß auch, dass viele davon anschließend Universitäten bezogen haben. Nach 1530 kam es unter ihnen zu einer regelrechten Blüte des akademischen Studiums. Ihre Bildungswege lassen sich so wenigstens in Umrissen rekonstruieren aus den fast vollständig verfügbaren frühneuzeitlichen deutschen Universitätsmatrikeln. Ihre Auswertung ist für Lüneburg bisher unterblieben und kann auch hier nur summarisch erfolgen.

Allgemeine Voraussetzung ist das sehr schnelle Wachstum und die nach einem Tiefpunkt während der Reformationszeit bald wieder einsetzende Blüte des Bildungswesens und insbesondere der Universitäten und nicht zuletzt neu gegründeter Hochschulen in den verschiedenen Territorien des Heiligen Römischen Reiches – sowohl in den lutherischen und calvinistischen wie in den katholischen Zentren – im 16. Jahrhundert. Die Universitäten erfuhren – neben einer unerhörten Modernisierung und Verwissenschaftlichung der höheren Fakultäten (Jura, Medizin, Theologie) – besonders einen intensiven Ausbau von deren gemeinsamer Basis, des Grundstudiums in den „Artistenfakultäten“, aus denen sich bald „philosophische Fakultäten“ entwickelten:30 Ausgehend von der traditionellen Lehre der Sieben Freien Künste bildete ihren Lehrstoff die Praktische Philosophie mit Ethik, Politik und Geschichte, dazu Naturwissenschaften, Dialektik und Rhetorik. Ein neues Vorbild und Programm dafür entwickelte die 1502 gegründete Wittenberger Universität, gerade durch Philipp Melanchthon, der dort seit 1518 als Professor, bald als berühmter „praeceptor Germaniae“ sein Lebenswerk in der Pflege der Grundwissenschaften, der litterae, sah, sowohl als unentbehrliche Grundlage für das richtige Verständnis der Heiligen Schriften wie für eine vernünftige persönliche Lebensführung und für politisches Handeln. Seine Vorlesungen galten vor allem der Artistenfakultät, gedruckt fanden sie weiteste Verbreitung als Lehrbücher. ...

Der lutherische Aristotelismus war der Stoff, durch den die jungen Studenten zu wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit der Welt erzogen wurden. Die Geschichtsschreiber dieser Fächer und inzwischen die Historiker des Bildungswesens haben das vielfältig und immer dichter belegt.

Dieses humanistische Lehrsystem also trug die daraus hervorgehende Bildung der akademisch gebildeten Eliten. Vor allem in den Reichsstädten blühten humanistisch geprägte Lateinschulen und Gymnasien auf, die auf die Hochschulen vorbereiteten.

In dieses Milieu sandten auch die Lüneburger Patrizier ihre Söhne. Die Zahl der Immatrikulationsnachweise aus ihren Familien steigt vom Anfang des 16. Jahrhunderts bis ins 17. hinein stark an (mit generationsbedingten Wellenbewegungen), bricht erst im Dreißigjährigen Krieg ein und erholt sich bis ans Ende des 18. Jahrhunderts nicht mehr. Dass immer mindestens gleichviel Studenten aus dem nichtpatrizischen Bürgertum Lüneburgs die Universitäten bevölkerten, soll hier ganz beiseitebleiben; auch das böte immerhin Stoff zum Nachdenken über die Verhandlungsfähigkeit zwischen Bürgertum und Rat, zur Rezeptionsfa-higkeit der „normalen“ Bürger gegenüber ihrer Obrigkeit und deren Monumenten.

Das Lüneburger Studierverhalten ist dabei keineswegs eindeutig auf Wittenberg ausgerichtet. Dass es durch das ganze 16. Jahrhundert von Lüneburg aus besucht wurde, ist in zweierlei Hinsicht zu relativieren: Erstens erlebte Wittenberg innerhalb des Kräftefeldes der erwähnten innerlutherischen Lehrstreitigkeiten (und übrigens auch der ganz konkreten, ja kriegerischen Geschichte der Reformation) durchaus kritische Phasen und Veränderungen seines Profils — und blieb gleichwohl die meistbesuchte Universität. ...

Wenn die Patriziersöhne darüberhinaus allerdings eine höhere Fakultät besuchten – was nur ganz selten erkennbar wird – dann die juristische. Keiner hat Theologie oder Medizin studiert. Angesichts der allgemein zu beobachtenden Tatsache, dass in den Städten der Frühen Neuzeit die Zahl akademisch gebildeter Ratsherren zugenommen hat – es handelte sich dann um Juristen – , fällt geradezu auf, dass außergewöhnlich wenige der Lüneburger Patriziersöhne graduierten; nicht einmal eine Handvoll Juristen waren es bis zum Dreißigjährigen Krieg. Angehörige des Lüneburger Patriziats beschränkten sich, so scheint es, im wesentlichen auf das allgemeinbildende philosophische Grundstudium – wie sowieso die meisten der überaus zahlreichen Studenten der Artistenfakultät, die, ohne ein spezifisches Berufsbild angestrebt oder erreicht zu haben, die Universitäten wieder verließen. ...

Das Lüneburger akademische Verhalten passte offenkundig zu dem Anspruch auf Nobilität, den das Patriziat in der Frühen Neuzeit für sich vertrat. Einen bürgerlichen Beruf auszuüben war ihnen offenkundig nicht erstrebenswert. Auch die doch sehr praktische Tätigkeit der Lüneburger Patrizier in der Salzgewinnung und -Vermarktung wurde im Licht adliger „Militair- und Civil-Bedienungen“ gesehen.

Über dieses Dokument ...

Über das Lüneburger Rathaus


Material und Unterrichtsvorschlag

This document was generated using the LaTeX2HTML translator Version 2023.2 (Released July 1, 2023)

The command line arguments were:
latex2html -nofootnode -init_file /Users/horst/.latex2html-init Lue-Rathaus4.tex

The translation was initiated on 2023-08-31


Fußnoten

... Quiddje1
https://de.wikipedia.org/wiki/Quiddje
... Lüneburg2
https://www.monumente-online.de/de/ausgaben/2007/3/ausdruck-staedtischen-herrschaftswillens.php
... Reiseführer3
Michel Eckhard u.a.: Hansestadt Lüneburg – Ein Führer durch die alte Salzstaat, Wernigerode: Schmidt-Buch-Verlag, 2014, 5. veränderte und aktualisierte Arufl. , S. 17
... Kapelle?4
Hier gibt es diesen Zusammenhang nicht: https://de.wikipedia.org/wiki/Rathaus#Geschichte
... Untersuchung5
Ganzert ganz nennen.
... Ganzert6
https://de.wikipedia.org/wiki/Albert_von_Soest
... Konfliktregelung7
https://de.wikipedia.org/wiki/Justinian_I.
... Darstellungen8
https://www.inschriften.net/stadt-lueneburg/inschrift/nr/di100-0796.html?tx_hisodat_sources%5Baction%5D=show&tx_hisodat_sources%5Bcontroller%5D=Sources&cHash=2bdfcf19f401c3f83850587a8ff69ab5
... Bedeutung9
https://de.wikipedia.org/wiki/Justinian_I.#Rechtskompilation, https://de.wikipedia.org/wiki/Codex_Iustinianus, https://de.wikipedia.org/wiki/Irnerius_von_Bologna
... Große10
https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_der_Gro%C3%9Fe
... Lüneburger11
https://de.wikipedia.org/wiki/Sachsenkriege_Karls_des_Gro%C3%9Fen
... II12
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_II._(HRR)
... Sachsenspiegel13
https://de.wikipedia.org/wiki/Sachsenspiegel
... V.14
https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_V._(HRR)
... Halsgerichtsordnung15
https://de.wikipedia.org/wiki/Constitutio_Criminalis_Carolina
...Severitas16
https://www.hisour.com/de/virtue-49332/, von dort auch die folgenden Definitionen.
... Rechtsspruch“17
Das „Misericordia“ ist am Fuß der Statue aufgetragen, nicht an der Beschriftungstafel unter der Statue. Man findet im Internet Beschreibungen der Fassade, die nur das „Gloriatur ...“ wahrnehmen. Damit wird nicht nur die Pointe dieser Figur nicht erfasst, sondern auch gleich das Verständnis der ganzen Fassade verfehlt.
... Barmherzigkeit18
https://de.wikipedia.org/wiki/Barmherzigkeit
... Heldenbegintex2html_deferred19
https://de.wikipedia.org/wiki/Neun_Helden, https://www.heraldica.org/topics/worthies.htm, https://fr.wikipedia.org/wiki/Neuf_Preux
... Haupt20
Maike G. Haupt: Die Große Ratsstube im Lüneburger Rathaus (1564-1584) – Selbstportrait einer protestantischen Obrigkeit, Marburg: Jonas, 2000 – Ohne die einzelnen Quellenangaben.
... entgegennehmend21
Georg Lauterbeck, ein damals viel gelesener Autor in Sachen politischer Ordnung und Erziehung, erwähnt Aristoteles zwar in seinen Vorschlägen zur „Guten Policey“ in den Städten, er orientiert sich aber eher an Platon und Sparta, s. Michael Philipp: Das Regentenbuch des Mansfelder Kanzlers Georg Lauterbeck – Ein Beitrag zur politischen Ideengeschichte im Konfessionellen Zeitalter, Dissertation Augsburg 1993, Augsburg: Wißner 1996, S. 206 - 2019. – Man kann es drehen und wenden: Die deutsche Stadt des Mittelalters ist mit der Polis der Griechen nicht zu fassen.
... Schmidt22
Dagmar Schmidt: Der Freskenzyklus von Ambrogio Lorenzetti über die gute und die schlechte Regierung, Dissertation St. Gallen, 2003, S. 58 – 64 https://docplayer.org/79295838-Der-freskenzyklus-von-ambrogio-lorenzetti-ueber-die-gute-und-die-schlechte-regierung.html
... Reinhardt23
Volker Reinhardt: Die Macht der Schönheit, S. 119 - 126
... Hipp24
Hermann Hipp: Bilder im Rathaus, in Ganzert 1, S. 211
... dokumentieren25
Fast alle Fotos der Schnitzarbeiten und der Gemälde sind von unten schräg nach oben aufgenommen, danach mit einer Bildbearbeitung perspektivisch gerade gezogen worden. Die Proportionen stimmen dennoch nicht, die Fotos sind in der Höhe gequetscht.

Die Schnitzarbeiten sind so detailliert ausgestaltet, viele Szenen mit vielen Figuren gleichzeitig, dass sie auf diese Weise von einem Hobbyfotografen nicht angemessen erfasst werden.

... Frieden26
Bibel-Texte aus Lutherbibel 2017 (LU17) https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/lesen/LU17/GEN.1/1.-Mose-1 Bibelgesellschaft Stuttgart
... Stadtführer27
Eckhard u.a. S. 22
... Unterrichtsführung28
Von Herbart über die Herbartianer bis Wagenschein.
... entwerfen29
Ein Lehrstück der Lehrkunstdidaktik soll die avancierteste Unterrichtsform sein: Alles mitnehmen, was jede Art von Pädagogik und Didaktik über grundlegende Menschheitsthemen erarbeitet haben, das Stück selbst exemplarisch – genetisch – sokratisch / dramaturgisch ausgestalten. Aber das wäre ein anderes Thema.


Horst Leps
2023-08-31